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Rückblende: Scorpions – ›In Trance‹

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Rückblende: Scorpions – ›In Trance‹

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Dieses Metal-Stück mit ordentlich Pfeffer im Hintern spielte eine Schüsselrolle im Werdegang der nur zu Hause erfolgreichen Band zu einer wirklich internationalen.

Ende 1975, fast zehn Jahre nach ihrer Gründung in Hannover, standen die Scorpions endlich an der Schwelle zum internationalen Durchbruch. Das hatten sie größtenteils ihrem dritten Album IN TRANCE zu verdanken, das den entscheidenden Schritt von ihren früheren, naiveren Alben zum härteren Sound der folgenden Jahre darstellte.

Das Titelstück war der Schlüssel zum Erfolg des Albums. Diese dunkle, psychedelisch angehauchte Ballade mit dem stählernen Rückgrat klang wie nichts, das die Band davor oder seither aufgenommen hat. Dass sie bis heute Teil der Setlist geblieben ist, unterstreicht ihren Status als einer der Fan-Favoriten.

Die Anfänge dieses Stücks, das so oft in Clubs und Stadien rund um die Welt gespielt wurde, waren ungewöhnlich. Klaus Meine und Rhythmusgitarrist Rudolf Schenker kam die Idee zu ›In Trance‹, als sie vor einem Gig die Zeit in einer Kirche im belgischen Ligneuville totschlugen. „Das ist richtig“, erinnert sich Schenker. „Ich hatte schon Teile des Stücks, aber die Atmosphäre dort war unglaublich. Klaus und ich fügten alles während des Soundchecks zusammen. In dieser Kirche zu sein, gab uns den Kick, etwas wirklich Besonderes zu machen.“

Ulrich Jon Roth, von 1973 bis 1978 der schrille, von Hendrix besessene Lead-Gitarrist der Band, gibt heute zu, dass er seine Zweifel an dem Lied hatte: „Ich fand damals, dass es mit nur einer Lead-Gitarre etwas zu nackt war“, so Roth, der auf dem Stück ein uncharakteristisch minimalistisches Solo spielt. „Ich betrachte es nicht als Solo, sondern mehr als einen Wechsel der Tonart. Als unser Produzent Dieter Dierks das Triller und die Harmonie-Parts hörte, sagte er: ‚Oh, das ist ja wie Debussy.‘ Das sollte gar nichts Aufsehenerregendes werden, ich versuchte einfach, die Stimmung des Songs wiederzugeben.“

Diese Stimmung, von der er da spricht, kam von Klaus Meine, der den Text verfasst hatte: eine gebrochene Meditation über den Versuch, Exzesse in den Griff zu bekommen, ob körperlich oder seelisch. Er singt darüber, „too much on a Saturday night“ (zu viel am Samstagabend) zu nehmen, bevor er erklärt: „I wanna stop this life“ – ich will dieses Leben beenden.

Schenker sagt, er wisse genau, was dem Sänger durch den Kopf gegangen sei, als er das schrieb: „Es geht darum, in die Mitte des Leben zurückzukommen – nicht das Extrem links oder rechts“, erklärt er. „Man kann sich festfahren, Dinge tun, die man nicht mag, immer und immer wieder. Vielleicht hatte es mit dem Trinken zu tun.“

Sowohl das Lied als auch das Album wurden zum Wendepunkt für die Scorpions. Auf der Platte fanden sie zu tighteren, kommerzielleren Arrangements. Das lag teilweise an Produzent Dieter Dierks, der in der Folge half, die lange Serie international erfolgreicher Alben der Bands zu ersinnen, die von den späten 70ern durch einen Großteil der 80er anhielt. Wo Kraftwerk-Produzent Conny Plank dem Scorpions-Debütalbum LONESOME CROW ein experimentelles Antlitz gegeben und die Band den Nachfolger FLY TO THE RAINBOW selbst produziert hatte, war Dierks in der Lage, die zwei so unterschiedlichen Hälften der Gruppe erfolgreich zusammenzuführen.

„Auf der einen Seite war Uli, der sich mehr an Hendrix orientierte, und auf der anderen waren Stücke von Klaus und mir“, so Schenker. „Dieter hatte ein tolles Ohr und konnte die beiden Stile kombinieren, um einen richtig scharf gewürzten Sound daraus zu machen.“Mit dem ersten in einer Reihe kontroverser Albumcover läutet IN TRANCE auch in anderer Hinsicht eine neue Ära für die Scorpions ein. Hier hockte eine spärlich bekleidete Blonde über einer weißen Stratocaster, wobei eine ihrer Brüste deutlich sichtbar war (diese „Garderoben-Fehlfunktion“ wurde auf manchen späteren Pressungen wegretuschiert). Als Besitzer besagter Gitarre Drückte Roth später seine Scham über das Foto aus – obwohl Schenker sagt, dass Roth selbst es vorgeschlagen hatte. „Es war seine Idee“, sagt ein reueloser Schenker. „Es war ein tolles Cover für uns. Es ist sexy, mystisch und vor allem ist es nicht brutal.“

Die Scorpions – dazu gehörten auch Bassist Francis Buchholz und Schlagzeuger Rudy Lenners – kamen mit IN TRANCE erstmals nach Großbritannien. Auf dieser Tour spielten sie im Marquee und im Roundhouse in London sowie im Barbarella’s in Birmingham, wo sie für die aufstrebenden Punks The Damned eröffnen sollten – bis die Hannoveraner einen Blick auf das Publikum warfen, ins Auto stiegen und wegfuhren.

Amüsanterweise erinnert sich Schenker an noch seltsamere Szenen von jener Tour, etwa aus dem berühmten Cavern in Liverpool, wo betrunken Fans auf die Anlage urinierten: „Sowas hatten wir noch nie gesehen. Wir kamen erst um ein Uhr morgens auf die Bühne und manche der Fans hatten schon den ganzen Abend getrunken. Sie pissten in die Ecken der Halle, überall.“ Zum Glück wiederholte sich das nicht, als die Band ›In Trance‹ im September 2013 für ihr MTV UNPLUGGED-Album in Athen aufnahm. Dort sang Meine das Stück im Duett mit der Hamburger Singer/Songwriterin Cäthe, was ihm eine zusätzliche Vokaldimension verlieh.

Uli Jon Roth – der 1978 ausgestiegen war, unglücklich über die kommerziellere, USA-freundlichere Richtung, die die Band eingeschlagen hatte – hat das Lied ebenfalls für Konzerte wiederbelebt, bei denen er Songs aus den ersten fünf Scorpions-Alben spielte. Nach über 40 Jahren kann der Mann, der zunächst nicht davon überzeugt war, sich endlich für jenes Stück erwärmen. „So, wie wir es jetzt spielen, gefällt es mir wirklich gut“, sagt er. „Wir verdoppeln all die Harmonien und es hat den richtigen Groove.“

DIE FAKTEN
VERÖFFENTLICHUNG
September 1975
HÖCHSTE CHARTPOSITION
Nie als Single erschienen
PERSONAL
Klaus Meine, Gesang
Ulrich Roth, Lead-Gitarre, Gesang
Rudolf Schenker, Gitarre
Francis Buchholz, Bass
Rudy Lenners, Schlagzeug
GESCHRIEBEN VON
Rudolf Schenker/Klaus Meine
PRODUZENT
Dieter Dierks
LABEL
RCA

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