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Queen: Das letzte Lebwohl

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Queen: Das letzte Lebwohl

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Anfang 1991 wurden die Mountain Studios zur Kulisse für Szenen, die auf berührende Art und Weise jenseits aller Vorstellungskraft gewesen sein müssen. Mercury, der sich an der Konsole aufrecht hält, sich mit Wodka Mut macht und sein schwindendes Können gegen die tickende Uhr anrennen lässt, als er Momente wie ›You Don’t Fool Me‹ aufzeichnete, seinen letzten Credit als Songwriter mit ›A Winter’s Tale‹ und seine letzten je aufgenommenen Vocal-Takes mit ›Mother Love‹. „Er hat das tatsächlich nie fertiggestellt“, erzählte May in „Guitar World“. „Er sagte: ‚Oh Brian, ich kann nicht mehr. Ich sterbe hier‘. Es ist unglaublich, er schien nie zuzulassen, dass ihn das runterzieht. Er war immer voller Humor und Enthusiasmus. Er machte sogar Witze darüber. Eigenartigerweise entwickelten wir damals als Band eine so enge Beziehung zueinander, dass [die letzten Sessions] äußerst freuderfüllt waren. Da hing diese Wolke über uns, aber die Wolke war außerhalb des Studios, nicht drinnen. Ich habe wirklich schöne Erinnerungen an diese Zeit.“

Mercurys Optimismus, so May, habe ihm eine „unbesiegbare“ Aura gegeben. Doch das konnte nicht unendlich weitergehen. Anfang November 1991 setzte er die AIDS-Medikamente ab. Am 22. desselben Monats kam er der Revolverpresse zuvor und gab in einer offiziellen Erklärung seine Erkrankung bekannt. „Nach weitreichenden Spekulationen in der Presse in den vergangenen zwei Wochen möchte ich bestätigen: Ich wurde positiv auf HIV getestet und bin an AIDS erkrankt. Ich hielt es für korrekt, diese Information bislang für mich zu behalten, um die Privatsphäre der Menschen um mich herum zu schützen. Nun ist jedoch die Zeit gekommen, um meine Freunde und Fans in aller Welt die Wahrheit wissen zu lassen. Ich hoffe, alle werden sich mir, meinen Ärzten und allen anderen weltweit im Kampf gegen diese schreckliche Krankheit anschließen.“

Zwei Tage darauf verstarb er, während vor seinem Anwesen ein Medienzirkus tobte. Als Todesursache wurde bronchiale Lungenentzündung angegeben. Kurz darauf gab es eine kleine Zeremonie in einem Krematorium in West-London, danach verschwand der Sarg des Sängers zu den Klängen von Aretha Franklin. Die am Boden zerstörten Hinterbliebenen stürzten sich in Arbeit – vom stargespickten Tribute-Konzert in Wembley bis zu Mays Solo-Single ›Driven By You‹ –, doch diese Lücke war unmöglich zu füllen. „Abgesehen von der Trauer, jemanden zu verlieren, der einem so nahestand“, sagte May, „wird plötzlich dein gesamter Lebenswandel vernichtet. Alles, was du über die letzten 20 Jahre aufzubauen versucht hast, ist weg.“

Als aufstrebender Solokünstler landete May ein paar solide UK-Hits, neben ›Driven By You‹ etwa ›Too Much Love Will Kill You‹ aus der THE-MIRACLE-Phase. Doch der Gitarrist lernte das Musikbusiness bald wieder von seiner gnadenlosen Seite kennen. Als er mit seinem unterbewerteten Soloalbum BACK TO THE LIGHT von 1992 in den USA auf Tour ging, spielte er vor einer Menge leerer Plätze in Hallen, die für Queen lächerlich klein gewesen wären. Dennoch schien er einen Schlussstrich unter dieses Kapitel gezogen zu haben und bestand auf dem Credo: „Meine Rolle ist es nun, ich zu sein“. In einem Interview mit Virgin Radio bekräftigte er: „Es kann Queen nicht ohne Freddie geben“.

Doch vielleicht war da noch genug Freddie, um die Band noch ein bisschen weiterleben zu lassen. Im Frühling 1994 gab es erste Vorahnungen des Projekts, das 1995 zu MADE IN HEAVEN wurde, als die drei verbliebenen Mitglieder in den Archiven nach versunkenen Schätzen suchten. Die Erinnerung des Gitarristen, dass er „tief getaucht“ war, war keine Übertreibung. Material wie ›It’s A Beautiful Day‹ aus der THE-GAME-Ära fand sich neben den Gesangsspuren aus jenen finalen Sessions in Montreux Anfang des Jahrzehnts. May betonte, all dies sei „sehr wertvolles Zeug“. Und so begann der hochemotionale Prozess, diese Bleistiftskizzen wie ein Puzzle zu kompletten Songs zu formen. „Da sind Tracks wie ›I Was Born To Love You‹“, hielt der Gitarrist in „Days Of Our Lives“ fest, „der nie für Queen bestimmt war – es war ein Solostück, das Freddie sehr hastig aufgenommen hatte. Also reduzierten wir das alles runter und schnitten seinen Gesang liebevoll und mit größter Sorgfalt neu. Ich verbrachte Monate und Monate damit, unsere Stücke so zusammenzusetzen, dass es klang, als seien wir alle gemeinsam im Studio gewesen.

›Mother Love‹ bedeutet mir sehr viel, und darauf findet sich ein kleines bisschen aus ›Goin’ Back‹, der allerersten Nummer, die Freddie je im Studio gesungen hatte. Ich schrieb Carole King an, um sie um ihre Erlaubnis zu bitten, und sie war ein Schatz. Sie stand absolut hinter uns. Das ganze Album ist eine Illusion“, fuhr May fort, „denn es klingt, als seien wir vier da alle zusammen, als hätten wir großen Spaß dabei, die Platte zu machen. Doch natürlich war das die meiste Zeit nicht der Fall. Es ist nur so zusammengebaut, um so zu klingen. Wir haben viel Liebe hineingesteckt, damit das so wirkt.“ „Brian und ich, wir waren uns auf jeden Fall sicher, dass wir wussten, was Freddie davon gehalten hätte“, fügte Taylor in derselben Dokumentation hinzu. „Wir hatten das Gefühl, als wäre er bei uns in einer Ecke des Raums. Wir haben es irgendwie geschafft. Und ich war sehr zufrieden mit dem Ergebnis.“

Rein in Verkaufszahlen bemessen, gab es kaum Zweifel, dass die Queen-Die-Hards – und jede Menge eher oberflächliche Fans – dieses liebevolle Spätwerk billigten. MADE IN HEAVEN erschien am 6.
November 1995, schoss an die Spitze der britischen Charts, erreichte Mehrfachplatin und warf fünf Top-20-Singles ab. In vielen weiteren Ländern geriet es zu einem ähnlichen Erfolg, etwa in Deutschland, wo es ein Doppelplatinseller wurde. Ohne den Kontext würden es wohl die wenigsten Kenner zu den stärksten Alben in dem vor Klassikern nur so strotzenden Katalog von Queen zählen. Doch es gab viele Momente, die sich mit den größten Songs der Band messen konnten, etwa den fesselnden Opener ›It’s A Beautiful Day‹, das Titelstück als packende Ballade und das unglaublich bewegende ›A Winter’s Tale‹.

„Das letzte Album war in kreativer Hinsicht eine der schmerzhaftesten Erfahrungen, die ich je hatte“, sagte May zu Radio 1. „Doch die Qualität ist gut, auch, weil wir diese Diskussionen hatten. Ob das gesund für das eigene Leben war, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.“ Angesichts des Lobs, mit dem die auf ähnliche Weise entstandene Beatles-Single ›Free As A Bird‹ wenig später überhäuft wurde, erschien es seltsam, dass die Presse eher verhalten auf die Platte reagierte. Der „NME“ schoss sich in einer denkwürdig boshaften Rezension auf ethische Fragen ein und bezeichnete MADE IN HEAVEN als „vulgär, unheimlich, krank und geschmacklos.“

Was auch immer man von der musikalischen Qualität des Albums halten mag, alle Quellen deuten daraufhin, dass dieses letzte Hurra exakt das war, worauf Mercury damals in Montreux gehofft hatte. „Freddie sagte: ‚Schreibt Sachen für mich, ich weiß, dass ich nicht mehr viel Zeit habe‘“, erklärte May in „Days Of Our Lives“. „Schreibt weiter Worte für mich, gebt mir weiter Material, ich werde es singen. Ich werde singen. Und hinterher könnt ihr dann damit tun, was ihr wollt, und es fertigstellen.“

Indem sie MADE IN HEAVEN machten, hatten die Überlebenden von Queen also in ihrem unnachahmlichen Stil den letzten Willen ihres Anführers erfüllt und sein Testament vollzogen, statt es den Geiern aus der Industrie zu überlassen, zusammengekehrte Reste unsensibel zu reanimieren und umzuverpacken. Genauso wichtig ist vielleicht, dass sie so die Dämonen vertrieben und einen Schlussstrich unter die außergewöhnliche Geschichte der Band zogen. May erinnerte sich an den Prozess: „Man hörte 24 Stunden am Tag Freddies Stimme, das kann hart sein. Und plötzlich denkt man: ‚Oh Gott, er ist nicht hier, warum tue ich das?‘ Aber heute kann ich mir MADE IN HEAVEN anhören und empfinde dabei einfach nur Freude – ich fühle, dass es das richtige Album war, um dieses Kapitel zu schließen“.

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