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Queen: Das letzte Lebwohl

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Queen: Das letzte Lebwohl

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Selbst als ihm die Zeit davonlief, war Freddie Mercury die treibende Kraft hinter dem Album INNUENDO von 1991 und die Stimme aus dem Jenseits auf MADE IN HEAVEN, das 1995 erschien. Wir erzählen, wie Queen sich in Würde verabschiedeten.

1990. Die Bluthunde der britischen Regenbogenpresse hatten sich an Freddie Mercurys Fersen geheftet. Tag und Nacht belagerten Reporter das Zuhause des Queen-Frontmanns in West-London, wann immer er das Haus verließ – was er zusehends seltener tat –, wurde er begleitet von einer Kakophonie von Kameraauslösern und Mikrofonen, die man ihm entgegengereckte. Seine Verfolger hatten alle dasselbe Ziel, nämlich eine Bestätigung für das offenste Geheimnis im Rock’n’Roll zu bekommen: dass Mercury HIV-positiv, an AIDS erkrankt war – und nicht mehr lang zu leben hatte. Doch mehr als Krümel bekam die Presse nicht, aus der sie ihre reißerischen Artikel zusammenpflücken konnte. Am meisten bezog man sich auf Mercurys hageres Aussehen bei den Brit Awards im Februar. Brian May hielt sie unterdessen mit dem offiziellen Statement auf Abstand: „Er hat definitiv nicht AIDS, aber ich denke mal, sein wilder Rock’n’Roll-Lifestyle hat ihn eingeholt“.

In jener Zeit, als noch niemand wusste, was Social Media ist, war das Schweigen aus dem Queen-Lager absolut. Die öffentliche Leugnung von Mercurys rapide abbauender Gesundheit stand jedoch im Gegensatz zu den musikalischen Lebenszeichen der Band zu jener Zeit. INNUENDO im folgenden Jahr bestätigte quasi die Diagnose des Sängers und tauchte tiefer in seine Gedankenwelt ein als jedes noch so offenherzige Interview. „Wir hatten mit Dingen zu kämpfen, über die man damals nicht so leicht sprechen konnte“, so May, „doch in der Musikwelt konnte man das.“

INNUENDO war in den Metropolis Studios in London und bei Mountain in Montreux entstanden. Es war ein zu vielfältiges Werk, um platt als „das AIDS-Album“ abgetan zu werden, und in der besten Tradition von Queen deckten diese zwölf Songs ein breites Spektrum an Genres ab. Im Titelstück gab es Varieté-Drumrolls, Flamenco-Gitarren und ein kreischendes Hardrock-Gitarrensolo von Brian May, andere Songs waren inspiriert von so unterschiedlichen Themen wie Roger Taylors Autos (›Ride The Wild Wind‹) und Mercurys Katze (›Delilah‹). Das lebhafte ›I Can’t Live Without You‹ und die Vollgasnummer ›Headlong‹ (ursprünglich offenbar für Mays Solokarriere geplant) klangen gewiss nicht wie die Arbeit eines Sterbenden. „Das Letzte, was er wollte“, so Taylor über Mercurys trotziges letztes Gefecht, „war die Aufmerksamkeit auf irgendeine Schwäche oder Gebrechlichkeit zu lenken. Er wollte kein Mitleid.“

Mindestens drei der Stücke auf INNUENDO gaben allerdings Einblicke in Mercurys Gefühlswelt, während die Körner unerbittlich durch die Sanduhr rannen. Auf dem von ihm geschriebenen ›I’m Going Slightly Mad‹ verband er eine kratzige, etwas unheimliche Strophe mit einem leichtherzigen Refrain, einem irgendwie deplatzierten hawaiianischen Slide-Gitarrensolo und Metaphern voller Galgenhumor, die den Text davor bewahrten, allzu deprimierend auszufallen („This kettle is boiling over/I think I’m a banana tree“).

›The Show Must Go On‹ stammte hautpsächlich aus Mays Feder und war noch düsterer. Mercury sorgte hingegen für den Text und bestand darauf, dass der finster-ironische Arbeitstitel beibehalten würde. Unheilvolle Streicher trafen hier auf Zeilen ohne Hoffnung („Empty spaces/What are we living for?“). Taylors ›These Are The Days Of Our Lives‹ fiel unterdessen lieblicher aus, war aber kein bisschen weniger bewegend, ein wehmütiger Blick des Schlagzeugers zurück auf die glücklichen Anfangstage, „when the bad things in life were so few“. Die Kluft zwischen jenen Zeiten und dem Hier und Jetzt wurde eindringlich unterstrichen von dem monochromen Video zum US-Single-Release: Mercury spindeldürr und aufgrund einer hartnäckigen Läsion am Fuß bewegungslos, aber immer noch mit einem Funkeln in den Augen, als er für das geflüsterte Adieu am Ende tief in die Linse blickt: „I still love you“.

Das Gefühl beruhte offensichtlich auf Gegenseitigkeit, zumindest in Großbritannien, wo sowohl das Album als auch die gleichnamige Single Platz 1 erreichten, ohne dass irgendwelche Promotion-Aktivitäten stattgefunden hätten oder die Band auch nur in die Nähe einer Bühne gekommen wäre. „Ich denke, das ist unser bestes Album seit langem“, sagte May in der „Vox“. „Ich schäme mich für nichts. Oft veröffentlicht man eine Platte und denkt sich: ‚ich wünschte, wir hätten dies oder jenes getan …‘ Mit dieser bin ich ziemlich zufrieden und ich kann sie mir ohne Probleme anhören. Ich mag sie sehr. Sie ist schön komplex und heavy, mit sehr vielen Einfällen.“

Queen mussten nichts mehr beweisen. Nachdem er mit INNUENDO einen würdigen Schwanengesang abgeliefert hatte, wäre der logische nächste Schritt für einen Mann in Mercurys Position gewesen, sich zurückzuziehen, seine Angelegenheiten zu regeln und in Frieden die Uhr zu Ende ticken zu lassen. Doch wie Taylor in der Dokumentation „Days Of Our Lives“ erzählte, sah der Sänger seine rasch verstreichende Zeit als eine Chance für einen letzten Kreativschub, entweder um seine eigene Legende zu bestätigen, oder um seinen Bandkollegen noch frisches Material für die Zukunft zu hinterlassen.

„Je kränker er wurde, desto mehr schien er das Aufnehmen zu brauchen“, erinnerte sich der Schlagzeuger. „Um sich eine Aufgabe zu geben, einen Grund, aufzustehen. Also kam er ins Studio, wann immer er konnte. Tatsächlich wurde so eine ziemlich intensive Arbeitsphase daraus.“ May sah es ähnlich: „Freddie sagte einfach nur: ‚Ich will weiter arbeiten, alles wie immer, bis ich fucking tot umfalle. Das ist, was ich will. Und ich hätte gerne, dass ihr mich dabei unterstützt, und ich will keine Diskussion
darüber‘.“

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