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Joe Bonamassa: Je ne regrette nien

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Joe Bonamassa: Je ne regrette nien

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Bonamassa hat diesen ganz eigenen Geschmack früher als die meisten Menschen kultiviert. Als er als Elfjähriger 300 Dollar pro Gig erhielt, bekam er ein „Gehalt“ ausgezahlt, um sich „Kindersachen“ zu kaufen. „Doch stattdessen kaufte ich Wah-wah-Pedale und mehr Equipment. Als ich meinen Plattenvertrag unterschrieb, legte ich mir dann ein Sega-Genesis-System zu.“ Je länger die Tourneen wurden, desto weniger Zeit verbrachte er in der Schule. Ab der neunten Klasse hatte er immer wieder Privatunterricht. In der zwölften Klasse absolvierte er praktisch den gesamten Lehrplan innerhalb von etwa acht Wochen. Das bedeutete unter anderem, dass er kaum Zeit mit Gleichaltrigen verbrachte. All die üblichen zwischenmenschlichen Erlebnisse, Cliquen und ersten Dates der Jugend entgingen ihm. Statt Sportunterricht in der Schule musste Bonamassa mit 17 einem richtigen Fitnessstudio beitreten, wo er sich auf einen Hometrainer setzte und den Prozess um O. J. Simpson ansah. „Sie hatten ihn da im Fernsehen laufen“, erinnert er sich. „Also saß ich da, verfolgte den O. J.-Prozess, trat in die Pedale und brachte einfach die Stunden hinter mich …“ Er hält einen Moment inne. „Das war schon seltsam.“ Die französischen Zweikämpfe sind vorbei. Die Zikaden lärmen in den Sonnenschein und man hört gelegentlich, wie das Equipment herumgeschoben wird. Davon abgesehen, ist es ruhig.


Am Eingang kommen Fans für Autogramme und Selfies zu ihm. Bonamassa signiert alles und plaudert freundlich mit einem Mann, den er schon mal getroffen hat. Dann kommt sein Tourmanager/Freund Clay – ein knapp zwei Meter großer Mann aus Georgia, der teils wie ein Bodyguard, teils wie in Bro-Country-Sänger aussieht – und verfrachtet ihn in den Cateringbereich. Dort gibt es Salate, verschiedenen Käse aus der Region, Aufschnitt, frische Melone und Desserts. Wasser und Softdrinks werden aus Kühlschränken geholt, für Stärkeres ist es zu heiß. Bonamassa beäugt die Teller. Um auf Tour in Form zu bleiben, versucht er, pro Tag nur eine Mahlzeit zu sich zu nehmen. „Wir haben bald die Show in der Hollywood Bowl, also esse ich eine Schale voll Tomaten-Salsa, zwei Hühnerbrüste und einen gemischten Salat“, murmelt er frustriert. „Das macht in etwa so viel Spaß wie eine Wurzelbehandlung.“ Die Sonne brennt hell. Morgen ist ein freier Tag – er vermisst seine Anfänge nicht, als er noch 13 Abende in Folge auftrat, den ganzen Tag den Van fuhr und dann das Equipment Treppen hochschleppte. Dinge, die viele Menschen brechen – wenn es die Versuchungen nicht tun. „Ich war nie ein wilder Mensch. Ich habe nie Drogen genommen. In meinem ganzen Leben wurde mir noch nie Kokain angeboten, nicht ein einziges Mal.“ Er denkt einen Moment lang darüber nach. „Das beleidigt mich ein bisschen. Ich bin einfach nicht der Typ dafür, oder?“ Er hält fest, dass er immer mehr graue Haare hat. „Wenn ich anfange, mein Haar pechschwarz zu färben, wird es Gerede geben …“ Er denkt kurz darüber nach. „Ich finde, Metallica sind gut gealtert. James Hetfield ist als Rhythmusgitarrist wirklich unterschätzt. Seine rechte Hand ist ernsthaft gut.“ Kirk Hammett, wie Joe ein Bewunderer von Peter Green, kennt er besser. Der Metallica-Gitarrist ist ein Nachbar von Bonamassas Eltern und lud sie zu ihrem 48. Hochzeitstag zum Essen ein. „Kirk ist ein lieber Kerl. Er ist einfach ein Geek wie wir alle.“

Als wir zurückkommen, hat sich eine Menschenmenge vor den Toren des Auditoriums versammelt. Der Mann, für den sie hier sind schreitet vorsichtig hinter ihnen vorbei. „Sieh nach unten, sieh nach unten …“, murmelt uns Joe ins Ohr, während Clay uns elegant an der Menge vorbei und durch den Seiteneingang schleust. Auf der Bühne werden Flugkoffer mit den Outfits geöffnet. Bonamassa steckt sich noch eine Zigarre an und begutachtet einen Ständer mit Anzügen, von denen er auf Tour etwa 30 dabeihat. Mittlerweile muss er doch sicher irgendeinen Deal mit Hugo Boss haben, oder? „Das würde man denken, nicht wahr?“, sagt er mit nur halb gespielter Empörung. Um neun geht langsam die Sonne unter. Das Auditorium ist ein Ozean aus sommerlichen Stoffen und wedelnden Fächern. Es könnte fast das Publikum bei einem Tennismatch sein, bis man all die Bonamassa-, Clapton-, Fender-, AC/DC-, Hard-Rock-Café- und sonstigen rockfreundlichen T-Shirts bemerkt. Die Luft ist immer noch heiß. Eine faustgroße Hornisse krabbelt auf unsere Füße zu. Bonamassa kommt in Anzughose und Hemd zurück und richtet sich die Manschetten. „Willst du ein Wasser oder so?“, fragt er. Wir brauchen nichts, danke. Er nickt und verschwindet in seine Garderobe in einem der Schlosstürme. Der Raum in den gebogenen Steinmauern wird von Spiegeln und gedämmtem Licht beherrscht. Ein Tierfell liegt unter zwei braunen Ledersofas. Auf einem kleinen Tisch steht eine Vase mit Lilien. Im Raum verteilt sind Wasserflaschen, Handtücher, ein Wasserkocher, eine Kaffeemaschine, eine Flasche Rotwein und ein Glas. Gitarren sind nicht zu sehen. Er hat vor etwa sechs Monaten aufgehört, sich aufzuwärmen. „Ich habe festgestellt, dass ich so besser spiele. Das ist ein halbstündiges Ritual. Ich schmeiße mich in den Anzug, schenke mir ein Glas Wein ein und finde mich in meine Bühnenfigur.“ Dann ist plötzlich Showtime.

Der Jubel des Publikums schwillt an, als die Band auf die Bühne schreitet und ein feuriges ›Evil Mama‹ sowie den Outlaw-Bluesrock von ›Dust Bowl‹ attackiert. ›I Want To Shout About It‹, im Original von Ronnie Earl And The Broadcasters und eines der vielen weniger bekannten souligen Stücke auf BLUES DELUXE VOL. 2, zeigt deutlich, wie weit sich Bonamassa als Sänger seit dem raukehligen VOL. 1 vor 20 Jahren entwickelt hat. Noch immer hat er mit Dämonen zu kämpfen. Seine Freundin (ebenfalls Musikerin) hat ihn überredet, einen neuen Therapeuten aufzusuchen, und ihm gesagt, er solle nicht versuchen, diese Dämonen „auszutricksen“ („Das habe ich früher getan“). Letztes Jahr sagte er in einem Interview mit Guitar Player, dass er sein Spiel und seinen Gesang „hasst“. Carlos Santana rief ihn an, um zu sehen, wie es ihm geht. Unterdessen verpasste ihm Joanne Shaw Taylor, eine alte Freundin, ein bisschen schonungslose Ehrlichkeit und eine brutale Dosis ihrer Perspektive. Das war ein echter „Reset“, wie er sagt. „Das riss mich einfach aus diesem Nebel des Selbstzweifels. Egal, was da oben passiert, es wird in Ordnung sein. Es geht nicht um Leben und Tod. Die Sonne wird morgen aufgehen, auch wenn wir heute Abend nicht spielen.“ Auf der Bühne verfliegt die Hitze allmählich. Kirchenglocken läuten und die Dunkelheit fällt über ein überragendes ›Self-Inflicted Wounds‹. Jade MacRaes Solo sorgt dabei für zusätzliche Gänsehaut, ähnlich wie einst Clare Torry auf Pink Floyds ›The Great Gig In The Sky‹. Es ist die Art von bluesigem Rockepos aus seiner eigenen Feder, mit der Bonamassa ganze Konzerte füllen könnte, wenn die Leute nicht auch die schnellen Soli von ihm erwarten würden. Und vielleicht liegt darin seine wahre Neurose: in jenem Gefühl der Verantwortung gegenüber so ziemlich allen. Seinen eigenen Maßstäben. Seinen Fans. Seiner Familie, um die er sich privat liebevoll kümmert (er ist zweifacher Onkel). Seiner Crew und Firma, die von Bonamassas Geld „ihre Kinder aufs College schicken“. Er weiß, dass er heute kaum noch über sein Leben klagen kann, aber kämpft dennoch mit Unsicherheiten. Diesen dunklen Momenten der Seele, gegen die niemand immun ist. Diesen Dingen, die ihn davon abhalten, sich zu weit von der Figur zu entfernen, die er erschaffen hat. „Man fängt an, es so zu betrachten: ‚Nun, vielleicht werde ich nie dieses Folkalbum machen‘, oder was auch immer. Denn wir haben ein Publikum aufgebaut. Sie wollen das Feuer und die Wut. Egal, wie gut es auch wäre, sie würden sagen: ‚Spiel einfach die fucking Gitarre, Mann!‘ Das weiß ich.“ Denkt er nie, dass seine Fans so ein hypothetisches Folkalbum vielleicht mögen würden, weil sie IHN mögen? „Vielleicht“, entgegnet er, als sei das etwas, was er noch nie in Betracht gezogen hat. „Einige von ihnen, die wahren Fans. Aber weißt du …? Was mich wirklich glücklich macht, ist, dass sie am Ende alle stehen. Man sieht die Begeisterung in ihren Gesichtern, sie erblicken Gitarren, die sie in Büchern gesehen haben, die ‚Matrix‘-Figur, die sie aus Zeitschriften kennen. Und man denkt sich: ‚So lächerlich dieser Scheiß manchmal auch werden kann, so mag ihn doch jemand!‘ Die Freude, die das den Menschen bringt, ist alles, was ich brauche.“ Und man kann sehen, was er meint.

Sie flippen tatsächlich aus bei der Griffbrett-Akrobatik auf (dem Otis-Rush-Cover) ›Double Trouble‹, dem wahnwitzigen Ritt durch Led Zeppelins ›Dazed And Confused‹-Solo und den mächtigen Farbtönen der Bluespalette, die ihm aus den Fingern fließen wie Wasser. Nach der heutigen Show fährt der Tross zu weiteren Terminen in Europa. Danach steht die nächste „Keeping The Blues Alive“-Benefizkreuzfahrt an. Neue Musik von Black Country Communion ist in der Mache. Mehr Tourneen. Das ist viel zu stemmen für einen Mann, der davon träumte, sich mit Gitarrespielen seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Wenn er einen Tag lang einfach nur der Gitarrist in einer Gruppe sein könnte, welche wäre das? „Free“, sagt er lapidar und lächelt. „Das ist der Job, für den ich geboren wurde. Free. Simon und Paul, ruft mich an, ich bin euer Mann. Ich habe mich mein ganzes Leben lang darauf vorbereitet und kenne all die Songs. Das oder Bruce Hornsby.“ Beim treibenden, euphorischen Abschluss mit ›Mountain Time‹ steht dann in der Tat das gesamte Publikum. Die ersten Reihen singen jedes Wort mit. In Joes Gesichtsausdruck scheint sich etwas zu verändern. Bei all dem cleveren Kalkül und Pragmatismus im Bonamassa-Imperium ist daran absolut nichts pragmatisch. So ist die Musik in ihrem Kern einfach nicht. Es geht jetzt darum, im Moment zu sein, und das ist keine geschäftliche Transaktion. „Nicht alle erreichen den Gipfel des Mount Everest“, hatte er zuvor festgehalten. „Aber weißt du was? Das Basislager ist auch ziemlich gut. Auf derselben Bühne wie Tom Jones zu spielen, ist nichts, worüber ich je jammern würde.“ Dann schaute er sich um. „Es ist doch schön hier, nicht wahr? (Aus CLASSIC ROCK #125)

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1 Kommentar

  1. Armer Mensch, nicht materiell gesehen, hat nur die Gitarre als sein ,, Lieblingsspielzeug ,, bis heute gehabt.
    Schön dass er das tolle Leben , dass im seine Anhänger finanziert haben und immer noch finanzieren leben kann.
    Was nach diesem unausweichlichen Star-Dasein kommt wird vermutlich nicht mehr so glamourös aus sehen.

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