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Dokken: Von verlorenen Liedern und Bratäpfeln

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Dokken: Von verlorenen Liedern und Bratäpfeln

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Nach knapp vierzig Jahren sind Don Dokken beim Aufräumen alte Tapes aus seiner Zeit in Deutschland in die Hände gefallen, die er prompt restauriert und veröffentlicht hat. Im Skype-Interview spricht der Hairmetal-Veteran von THE LOST SONGS:1979-1981, seinen damaligen Erlebnissen und erklärt, warum er wahrscheinlich nie wieder Gitarre spielen wird.

Wie hast du die LOST SONGS gefunden?

Während der Pandemie habe ich wie viele Leute ausgemistet. Ich räumte meine Garage auf, weil ich eine 64er Stingray Corvette gekauft habe und nicht wollte, dass die Vögel draufkacken. Dabei fand ich eine Box voller Tapes. Darauf standen Dinge wie „Hamburg 1979“ oder „Michael Wagener“. Also hab ich die Tapes gebacken, abgespielt und all diese Songs gefunden. Sieben davon waren leider kaputt, vom Rest waren manche fertig, einige Demos, andere wiederum nur mit programmierten Drums aufgenommen. Die Originalspuren von Gitarre, Gesang und Bass habe ich gelassen und den Rest fertig gestellt. Ich klinge wie ein Zwölfjähriger. (schmunzelt) Das hat viele Erinnerungen zurückgebracht.

Welche Erinnerungen?

Ich war damals so jung und verließ Kalifornien zum ersten Mal – ein großes Abenteuer. Die Berliner Mauer stand noch, wir mussten durch den Checkpoint Charlie und überall waren Polizisten mit Maschinengewehren. In Hamburg dann die Reeperbahn und die ganzen Prostituierten. (lacht) Das war sehr interessant für uns brave Surfer-Jungs. Dort hatten wir dann auch ’79 unser erstes Club-Arrangement bis ein Uhr nachts. Danach nahmen wir Demos in Michael Wageners Studio auf.

Wie hast du Michael Wagener kennengelernt?

Michael arbeitete gegenüber vom Sounds Club in den Tennessee Tonstudios als Toningenieur und ließ uns umsonst Demos aufnehmen. Das war lange bevor er ein erfolgreicher Produzent wurde. Eineinhalb Jahre später kam ich nochmal nach Deutschland, wo ich schließlich Dieter Dierks traf. Er meinte, dass er meine Band zwar nicht mochte, aber mich schon. Er nahm damals gerade die neue Scorpions-Platte auf, doch Klaus hatte Probleme mit den Stimmbändern, also sollte ich ein paar Background-Vocals aufnehmen, weil Klaus und ich dasselbe Vibrato haben. Ich sang also auf BLACKOUT mit und durfte im Gegenzug in seinem Studio ein paar Demos machen. Auf den LOST SONGS findet man also eine Mischung aus Takes von Dieter und Michael und aus L.A. Dort habe ich auch ein paar Songs aufgenommen, bevor ich wieder nach Deutschland bin, und alle Kopien verkauft. Die sind komplett in den Kosmos entschwunden. Nicht mal ich habe ein Exemplar davon.

Du redest aber nicht von dem Bootleg BACK IN THE STREETS, oder?

Nein, das waren Aufnahmen aus den Tennessee Tonstudios, die von den Besitzern gestohlen wurden. Erst als wir mit Dokken berühmt wurden, haben sie diese Bootlegs veröffentlicht. Ich dachte mir, mein Gott, wie viel Geld wird man mit diesen windigen Demos schon verdienen. Es stellt sich 25 Jahre später heraus, dass sie fast eine Million Dollar damit gemacht haben.

Warum bist du damals von Los Angeles nach Deutschland gereist?

Man vergisst gerne, dass Ende der 70er in Hollywood nicht viel los war. Van Halen hatten einen Plattenvertrag bekommen und wir dachten: Jetzt kriegen wir alle einen! Doch plötzlich kamen Punk und die New Wave mit Kajagoogoo und Blondie daher und die Rockmusik war außen vor. Ich mochte diese Musik überhaupt nicht, ich hörte Saxon und Priest. Zufällig traf ich einen Typen, dem damals der größte Rockclub in Hamburg gehörte und er erzählte, dass Hard Rock in Deutschland gerade total angesagt war. Und dann holte er uns tatsächlich zu sich.

War die Szene dann auch wirklich gut dort?

Klar, da waren die Scorpions, Accept hatten gerade BALLS TO THE WALL herausgebracht, es gab einen Typen namens Roy Last, der eine coole Band hatte. Bei unserem zweiten Trip nach Deutschland spielten The Police in dem selben Club, kurz vor ihrem Durchbruch. Ich wollte mit ihnen quatschen, aber sie hatten keinen Bock auf uns. Vor allem der Schlagzeuger nicht. Sting war ganz cool drauf.

Ihr habt damals in einem verschimmelten Keller geprobt…

Wir hatten keine Kohle und übernachteten in Köln im Hotel Trost. Die Besitzerin war total süß und bot uns an den alten Bunker unter dem Hotel als Proberaum an. Dann wurden wir alle richtig krank, weil da unten alles schimmelte. Also zogen wir in eine zerbombte Kirche um. Zwar hatte die Löcher im Dach, es war aber trotzdem cool.

Wie fandest du die Deutschen so?

Deutsche sind ein bisschen ernst. Als ich Accept traf, waren sie nicht sehr gesprächig. Ich wollte rumhängen, sie lieber arbeiten. Perfektionistisch sind sie auch: Dieter Dierks hat mich damals gefühlt tausend Gesangsspuren einsingen lassen. Das war vor dem Alles-Zerstörer Autotune. Musikalisch und sexuell waren die Deutschen hingegen sehr offen. Wenn wir Mädchen im Club trafen, nahmen sie uns meist sofort mit. Einmal habe ich mich total verlaufen, weil ich am nächsten Tag selbst heimfinden musste und nur das Wort „Straße“ wusste. Ich dachte, wenn ich sage, ich muss in die „Straße“, dann finde ich schon nach Hause. (lacht) Damals habe ich gelernt: Nur mit Mädels mitgehen, wenn man ihre Autoschlüssel hat.

Wie geht es deiner Hand heute nach deiner Wirbelsäulen-OP ?

Nicht gut, ich kann sie seit meiner OP von 2019 nicht mehr bewegen. Das ist jetzt neun Monate her und ziemlich scheiße, mein halber Arm ist betroffen. Der Arzt hat den Eingriff versaut und jetzt ist es, als hätte ich einen Schlaganfall gehabt. Niemand weiß, ob es wieder besser wird. Naja, ich spiele seit 50 Jahren Gitarre, wenn es nicht mehr geht, dann ist es eben so. Ich kann immer noch singen und Songs schreiben, aber keine Gabel halten oder im Garten arbeiten. Schon deprimierend, aber ich versuche, optimistisch zu bleiben.

Arbeitest du an neuem Material?

Ich hoffe, dass wir die Tour von diesem Jahr einfach komplett auf 2021 verschieben können. Davor soll eine neue Platte rauskommen, wenn wir diese Apokalypse hier in Amerika überleben. Auch wenn ich die „Black Lives Matter“-Bewegung verstehe, ist alles so politisch korrekt geworden, dass ich beim Texten aufpassen muss. George Lynch ändert wegen des ganzen Drucks den Namen Lynch Mob. Seine Band heißt so wegen seines Nachnamens, das kann doch nicht sein…

Sind dann auch Deutschland-Termine geplant?

Ja klar. Wo lebst du eigentlich?

In München.

Ach, München. Bei meinem letzten Besuch habe ich dort das beste Wiener Schnitzel meines Lebens gegessen. Danach brachte man mir so einen warmen Apfel mit Zimt und Vanillesauce…

Bratapfel?

Ja, genau! Bratapfel, einfach großartig! Leider habe ich mir nicht gemerkt, wo das Restaurant war. Beim nächsten Mal muss ich es wiederfinden. Weißt du, so toure ich heute gerne: Mit vielen freien Tagen dazwischen, damit ich die Welt auch wirklich kennenlernen kann. Ich habe so viel Tour-Irrsinn hinter mir, ich habe mir das verdient.

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