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Jefferson Airplane: Die Geschichte von Grace Slick

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Jefferson Airplane: Die Geschichte von Grace Slick

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Vorhang auf für Grace Slick: Sie war befreundet mit Janis Joplin, wurde öfter verhaftet als Lemmy, nahm mehr Drogen als Amy Winehouse und fluchte wie ein Trucker.

Chicago Auditorium, 1973. Jefferson Airplane sind bereit, loszulegen. Ihre Sängerin Grace Slick scherzt bei diesem Heimspiel mit dem Publikum. „Ich will gerade anfangen, zu singen. Irgendein Typ in der Menge schreit: ‚Hey Gracie! Nimm den Keuschheitsgürtel ab!‘ Ich sehe ihn direkt an und sage: ‚Hey, ich trage nie Unterwäsche.‘ Ich hebe meinen Rock, um ihm meinen Busch zu zeigen, und das Publikum explodiert in Gelächter. Ich kann die Jungs hinter mir murmeln hören: ‚Oh Gott‘.“

Diese Geschichte ist, wie die meisten um das legendäre Pin-up Girl des „Summer Of Love“, kein überlieferter Mythos. Slick benutzte sie als Eröffnung ihrer Autobiografie „Somebody To Love? A Rock And Roll Memoir“, einer der lustigsten Erzählungen über die ganze West-Coast-Psychedelic-Szene, die je geschrieben wurden. „Ich rasierte meine Beine, aber ich sprach wie ein Trucker“, sagte sie. Sie war die Bohémienne, die eine Generation in den USA definierte. Und sie hatte, wie Patti Smith feststellte, dunkelviolette Augen wie Elizabeth Taylor.

Vier Jahrzehnte später ist die Galionsfigur der Monterey- und Woodstock-Kids so offenherzig wie eh und je. Größtenteils reuelos, hat diese Frau Jahre des Drogen- und Alkoholmissbrauchs überlebt, wurde mehrmals verhaftet (meistens wegen Trunkenheit am Steuer, aber einmal auch dafür, dass sie mit einer ungeladenen Pistole auf einen Polizisten zielte, der wegen Hausfriedensbruchs gerufen worden war) und hat ihr Bestes getan, die liberalen Werte der Baby-Boomer-Generation gegen die Staatsmacht zu verteidigen. Sie erschien einst bei einer informellen Party im Weißen Haus, veranstaltet von Tricia Nixon, der hippiefreundlichen Tochter des damaligen Präsidenten Richard Nixon (Grace und Tricia hatten beide das Finch College, ein prestigeträchtiges Mädchenpensionat in New York, besucht). Grace hatte ein Geschenk dabei – LSD in Pulverform, das sie in den Wodka Martini des Staatsoberhaupts mischen wollte. Leider wurde sie von den Sicherheitsleuten schon am Eingang abgewiesen, als ihnen klar wurde, dass sie Abbie Hoffman mitgebracht hatte, den Mitbegründer der anarchischen Yippies – und eine der höchsten Positionen auf der „Most Wanted“-Liste der CIA.

Zum Glück für die Gesetzeshüter hat Grace Slick dem Musikgeschäft den Rücken gekehrt, auch wenn sie bei einem Benefizkonzert für die New Yorker Feuerwehrleute des 11. Septembers auftrat – in einer Burka – und ein Stück für die Opfer der Ölkatastrophe in New Orleans schrieb. Heutzutage führt sie ein relativ ruhiges Leben in Malibu, einem Paradies für betuchte Rocker eines gewissen Alters. „Heute liegt Nebel über dem Ozean, also kann ich meine Nachbarn nicht sehen“, sagt sie. „Die meisten von ihnen sind berühmt, aber meine Freunde sind es nicht. Meine besten Freunde sind eine ehemalige Stewardess und ein Caterer. Die einzige berühmte Person, die ich kenne, ist David Crosby. Wir haben einander viele Male in Sachen Drogenprobleme gerettet, aber wir sind nun schon seit Langem nüchtern.“

Grace Slick war dafür vorgesehen, 1966 Jefferson Airplane als Ersatz für die erste Sängerin der Band, Signe Anderson, beizutreten, die gerade ihre Tochter Lilith auf die Welt gebracht hatte. Von der Nebelhornstimme, dem enormen Charisma und der umwerfenden Schönheit des einstigen Models abgesehen, schenkte Slick der Band deren größte Hits. ›Somebody To Love‹, geschrieben von ihrem Schwager Darby (sie war mit dem Schlagzeuger Jerry Slick verheiratet) und von Grace bei ihrer früheren Band The Great! Society gesungen, war in der Bay Area schon ein Hit. In der Version von Airplane wurde daraus die West-Coast-Hymne. Graces eigenes ›White Rabbit‹, eine schrille Kombination aus bastardisiertem Bolero-Rhythmus und lose auf Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ basierendem Text, bestätigte ihre Position als „Acid Queen“ von Haight Ashbury. „Das schrieb ich, nachdem ich LSD genommen und mir 24 Stunden lang SKETCHES OF SPAIN von Miles Davis angehört hatte. Es sollte ›Feed Your Head‹ heißen. [Airplane-Gitarrist/Sänger] Paul Kantner sagte: ‚Singe diese arabischen Jams, die du immer machst‘.“

Marty Balin hatte gemischte Gefühle über seine neue Mitsängerin – er wollte definitiv Anderson behalten. Trotz einer Reihe von Jefferson-Airplane-Albumklassikern – SURREALISTIC PILLOW, AFTER BATHING AT BAXTER’S, CROWN OF CREATION, dem Live-Album BLESS ITS POINTED LITTLE HEAD und dem „An die Wand, Motherfuckers“-Epos VOLUNTEERS – beäugten die beiden einander argwöhnisch, sowohl auf als auch jenseits der Bühne. „Marty war nie sehr kommunikativ, was eigenartig ist, wenn man Duette singt. Vielleicht war er eifersüchtig auf mich, weil ich so großartig war“, lacht sie. „Er ist der Einzige [aus der Band], mit dem ich überhaupt nicht mehr spreche. Jack Casady, Jorma Kaukonen, Paul Kantner – mit allen, die noch am Leben sind, verstehe ich mich gut. Aber nicht Marty. Seine Frau ruft mich einmal im Jahr an – wenn sie betrunken ist.“

Ihr Live-Debüt mit Airplane gab Slick am 16. Oktober im Fillmore in San Francisco, einen Tag, nachdem Signe sich in derselben Halle mit einer Rede von ihren Fans verabschiedet hatte: „Ich will, dass ihr alle lächelt und Gänseblümchen und Luftballons tragt. Ich liebe euch alle. Danke und auf Wiedersehen.“ Marty Balin gab Anderson Blumen, der Bandmanager und -Promoter Bill Graham führte die stehenden Ovationen an. Viele im Publikum weinten.

Statt unbemerkt durch den Bühneneingang zu schleichen, war Slick tapfer und stellte sich mit den Fans von San Francisco an. Sie bewunderten ihr Outfit – sie war damals noch Model –, eine schicke gestreifte Weste und einen hüftengen Rock im Fischgrätenmuster. „Klamotten machten Spaß und ich hatte gute Sachen. Ich trug auf der Straße dasselbe wie auf der Bühne. Ich hatte viel aus Secondhand-Läden in Haight.“

Slick, zweifellos stylish, lieferte ein modisches Vorbild, vor allem, als sie anfing, eine Pfadfinderinnen-Uniform zu tragen. „Die meisten Bands sahen ziemlich gut aus, außer Grateful Dead, die in Jeans und T-Shirts rumliefen“, sagt sie. „The Charlatans waren am besten. Sie trugen Wildwest-Revolverhelden-Anzüge. Die Briten waren anders. Ich war mit Kantner eingeladen, Mick Jagger in seinem Haus in Chelsea zu treffen, um das Altamont-Konzert zu besprechen. Ich hatte Angst, weil ich befürchtete, dass wir zu einer Orgie gehen. Ich habe nichts gegen Orgien, aber ich bin nicht gut im Multitasking. Ich mag einen Mann, ein Kind, ein Haus und ein Auto. Alles andere ist zu verwirrend. Aber da war keine Orgie. Jaggers Haus war wie das meiner Eltern. Er hatte Orientteppiche, Louis-XIV-Möbel. Er trug einen Dreiteiler. Er servierte uns Tee, bot uns keinen Alkohol oder Drogen an. Das war eine Enttäuschung. Wir hatten eine formelle Unterhaltung und Altamont wurde abgemacht – wir würden als Vorgruppe für die Rolling Stones spielen.“

Das heute berüchtigte Altamont-Konzert war ein Desaster. Slick wusste, dass es hässlich werden würde, als die Hells Angels während ihres Auftritts die Bühne enterten. „Marty Balin sagte ihnen, sie sollen sich verpissen, und sie hielten sich etwas zurück.“ Aber nur ein bisschen. Balin behauptete, mehrere Angels mit Billard-Queues hätten ihn gejagt. „Boom! Ich wurde niedergestreckt und wachte mit Stiefelabdrücken überall an meinem Körper wieder auf. Der Einzige, der etwas zu mir sagte, war Jorma Kaukonen: ‚Du bist ein verrückter Motherfucker‘. Und das ist ein Mensch, der mit Maschinengewehren und Messern reist. Macho-Leadgitarrist-Bullshit eben.“ Zurück zu Grace: „Wir sahen uns anfangs noch die Stones an, aber beschlossen schnell, zu gehen. Wir saßen in unserem Hubschrauber, sahen herunter, und Kantner sagte: ‚Ich glaube, die prügeln da unten einen Mann zu Tode‘.“

Paul Kantner wurde Graces dritter Airplane-Bettgefährte und Vater ihrer Tochter China. Grace war der Band zunächst beigetreten, „weil ich eine Affäre mit Bassist Jack Casady haben wollte. Ich liebe Bassisten und er ist der beste.“ Nach Jack fing sie eine Beziehung mit Schlagzeuger Spencer Dryden an. Gitarrist Jorma Kaukonen war mehr wie ein Bruder. Er zog sie einmal aus dem qualmenden Wrack eines Sportwagens, nachdem sie damit in die Golden Gate Bridge gecrasht war. Marty war weniger kavalierhaft: „Habe ich mit ihr geschlafen? Ich ließ sie mir nicht mal einen blasen.“

In einer von Männern dominierten Umgebung stach Grace heraus. Sie war die Galionsfigur der Monterey- und Woodstock-Ära, aber sah sich nie als Ikone: „Frauen waren schon immer Sängerinnen. Richterinnen am Obersten Gerichtshof, DAS ist beeindruckend. Ich dachte einfach nur, dass ich eine Sängerin war – nicht Bach oder Mozart oder Händel. Klar, wären wir alle Sänger, stünde es nicht gut um uns. Wo wären die Bauern? Airplane ließen mich singen. Gott behüte Amerika dafür.“

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