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Das letzte Wort: Alanis Morissette

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Das letzte Wort: Alanis Morissette

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Mit einem der größten Alben der Musikgeschichte wurde sie vor 25 Jahren zum Superstar und einem der wenigen Menschen, die man tatsächlich als „Stimme einer Generation“ bezeichnen könnte. Und sie hat große Hoffnung für diese und kommende Generationen.

Ein Erfolg wie der von JAGGED LITTLE PILL ist unwiederholbar. Das war der Kanadierin schon damals klar, weswegen sie es erst gar nicht versucht hat und stattdessen die dadurch gewonnene Freiheit nutzte, komplett nach ihren Regeln zu arbeiten und alle paar Jahre introspektive, nicht immer hitträchtige, aber immer hörenswerte Alben zu veröffentlichen. Anlässlich des jüngsten Werks SUCH PRETTY FORKS IN THE ROAD sprach sie mit uns über die Perspektiven in diesem Schicksalsjahr.

Alanis, wie hast du diese Monate des Wahnsinns bislang erlebt?
„Monate des Wahsinns“, das wird der Titel unserer Memoiren. Es war ein bisschen von allem, das hängt immer davon ab, wann du mich erreichst. In manchen Momenten strahle ich vor Zuversicht, sehe Chancen, unser Wertesystem zu konkretisieren, neue Prioritäten zu setzen und zu sehen, was wirklich ist. Aber in anderen Momenten habe ich große Angst und Panikattacken, oder ich bin einfach nur apathisch und durchlebe irgendwie den Alltag mitten in einer Pandemie. Es ist eine Achterbahnfahrt.

Für Künstler ist es gerade eine besonders schwierige Zeit, weil sie ohne Konzerte nichts verdienen können.
Das ist schlimm, natürlich. Kreativ gesehen hängt es aber sehr vom Individuum ab. Introvertierte Menschen profitieren eher davon, extrovertierte finden es ungleich schwerer. Aber man kann immer noch Musik machen, nur eben zuhause statt im Studio. Und das lohnt sich total. Wir machen gerade ein Meditationsalbum, das wir über Zoom aufnehmen.

Ein Meditationsalbum?
Oh ja. Mein Nervensystem ist ziemlich angespannt, was wirkt also beruhigend? Meditation. Das funktioniert nicht für alle. Es gibt überraschend viele Menschen, die an sogenannten „entspannungsinduzierten Beklemmungen“ leiden. Sobald sie sich entspannen, schreit die Stimme in ihrem Kopf: „GEFAHR! GEFAHR!“ Für sie ist der Gedanke, komplett still und mit ihren Gedanken allein zu sein, ein Horror. Doch ich brauche das. Allein an einem menschenleeren Strand zu liegen klingt gerade wie ein absoluter Traum. Und ich habe schon sehr lange darüber nachgedacht, so eine Platte zu machen, nicht erst durch diese Situation. Allerdings wäre sie ohne diese neue Realität ehrlich gesagt wahrscheinlich nie zustande gekommen. Als Nächstes mache ich mich dann an unser
Familienalbum.

Der Titel deines aktuellen Albums erwies sich als erstaunlich treffend für unsere Zeit. Es befasst sich zudem mit eher düsteren Gedankenwelten.
Es ist die Kulmination dieses existenziellen Imperativs, zu schreiben, was in mir ist. Und manchmal denke ich mir dabei: „Interessant, Gott, warum musste ich das mitteilen?“ Wenn ich mich mit Therapeuten oder Freunden darüber unterhalte, was los ist, fühle ich mich nicht wirklich besser. Wenn ich es aber unterdrücke, werde ich ziemlich schnell depressiv. Also muss ich schreiben. Die Kunst in mir ist wie das Kind in mir, der Teil von mir, der tagsüber nicht sprechen darf. Im Studio darf er es dann plötzlich.

Und wie schön ist diese Weggabelung, an der wir nun stehen?
Für mich persönlich hat sie positive Seiten. Ich kann viel Zeit mit meiner Familie verbringen, ich bin gerne zuhause. Auf Tour bin ich nur im Überlebensmodus, aber hier kann ich Ideen sammeln, ausbrüten, recherchieren und kreativ sein. Global gesehen ist es differenzierter. Die Ansichten mancher Leute machen mir Angst. Sie denken, die Wirtschaft sei wichtiger als das körperliche und geistige Wohlbef inden der Menschen. Sie kümmern sich mehr um ihren Wahlkampf als um das, was jetzt richtig für die Gesellschaft als Ganzes wäre. Aber ich bin dennoch zu 100 Prozent davon überzeugt, dass wir am Beginn einer optimistischeren Zeit stehen. Wenn ich mir meine Kinder ansehe, denke ich nur, alles wird gut. Sie sind klug, beseelt, haben Prioritäten, die die Bedürfnisse von Menschen widerspiegeln. Es gibt jetzt eine Generation, die mit Akzeptanz groß wird, einer Liebe für Feminismus und einem Bewusstsein für Geschlechteridentitäten. Die Eltern lernen das noch, aber die jungen Leute müssen es nicht lernen, sie leben es in Echtzeit, es ist normal für sie. Wertesysteme werden von den Menschen diktiert, wir sagen, was wichtig ist. Und ich liebe die Proteste überall. Natürlich nicht die Gewalt dabei und dass Menschen verletzt und sogar getötet werden. Aber ich liebe es, dass weltweit so viele Leute aufstehen und sagen: „Diese Gegenwart ist scheiße“. Ich finde es wunderbar, dass sie alle im Kollektiv sagen: „Hey, das ist nicht in Ordnung“.

Aber wie viel Veränderung hältst du für realistisch?
Na ja, extreme Quantensprünge sind nie nachhaltig. Die Evolution unseres Bewusstseins verläuft eher im Schneckentempo. Doch so lange diese Evolution überhaupt stattfindet und nachhaltig ist, geht das in Ordnung. Auch wenn ich mir natürlich oft wünsche, es würde schneller gehen.

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