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Blackberry Smoke: Die Schönheit des Schulterzuckens

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Blackberry Smoke: Die Schönheit des Schulterzuckens

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Umweltkatastrophen, Chaos, Hass und Hetze … die Turbulenzen unserer Zeit lassen auch Blackberry-Smoke-Frontmann Charlie Starr nicht kalt. Seine Antwort: eine weitere wunderbare Platte aus Southern/Country/Folk/Americana-Rock, die sich mit ernsten Themen befasst, aber vor allem die wunderbare, herzerwärmende, freudvolle und heilsame Magie der Musik beschwört. Denn, wie er im Zoom-Gespräch lapidar kommentiert, was soll man auch sonst tun?

Hallo Charlie, wie läuft’s in Atlanta?
Das kann ich dir in diesem Moment gar nicht sagen, denn ich bin gerade in London! Wir spielen diese Woche zwei kleine Pop-up-Gigs hier.

Und ihr habt in den Staaten gerade eine kurze Akustiktournee absolviert, die offenbar sehr schön war …
Ja, zwei Wochen akustische Musik im Schnee. Das Wetter bei uns in den USA war ja in letzter Zeit ziemlich brutal, also war das durchaus eine Herausforderung, aber wir haben es alle unbeschadet überstanden und alle hatten eine gute Zeit.

Bei unserem letzten Gespräch im Frühling 2021 war es gerade wieder möglich geworden, Konzerte zu geben, und ihr hattet einige Shows mit Social-Distancing-Maßnahmen in den ebenfalls recht kühlen Tennessee Mountains gespielt.
Ja, ich erinnere mich, das war damals auch nicht einfach.

Und wie ist es euch seither ergangen?
Ziemlich gut, wir machen einfach unser Ding …

Wobei damals ja noch nicht abzusehen war, ob ihr je wieder richtig „euer Ding machen“ könnt.
Das stimmt. Was für eine verrückte Zeit! Und Covid ist ja noch lange nicht vorbei. Erst vor ein paar Tagen fragte ich mich auch wieder, ob ich es habe. Und mein Dad, der gerade 78 geworden ist, hatte es erst kürzlich wieder. Zum Glück war es nur wie eine Erkältung für ihn, aber das ist nun etwas, mit dem wir einfach werden leben müssen. Eine weitere Krankheit, die wir eben der Liste hinzufügen müssen. Es ist jetzt ein Teil der Gesellschaft, wie ein vielleicht nicht so innig geliebtes Familienmitglied.

Und warst du zufrieden, wie das Album YOU HEAR GEORGIA dann gelaufen ist?
Es ging bei der Platte ja teilweise darum, dass die Menschen, sowohl in den USA als auch international, einige falsche Vorstellungen von eurer Heimat haben.

Denkst du, es ist euch gelungen, einigen die Augen zu öffnen und vielleicht manche dieser Ansichten zu korrigieren?
Die Platte wurde sehr wohlwollend aufgenommen und wir hatten einen guten Lauf damit. Aber ob es uns gelungen ist, Leute dazu zu bringen, ihre Meinung zu überdenken? Wahrscheinlich nicht. Wir haben ja heutzutage alle diese Dinger in der Tasche [hält sein Smartphone vor die Kamera], und jeder bildet sich seine eigene Meinung, wie er kann, wann er kann und zu was auch immer er kann. Aber ich weiß nicht, ob es wirklich mein oder unser Ziel war, irgendjemand von irgendetwas zu überzeugen. Klar, das war die Inspiration hinter dem Song ›You Hear Georgia‹. Aber letztlich ging es mir nicht so sehr darum, die Meinung der Leute zu ändern, sondern einfach nur darum, meine eigene zum Ausdruck zu bringen.

Aber es muss doch ziemlich frustrierend sein, immer wieder mit solchen Vorurteilen konfrontiert zu werden.
Ja, natürlich ist es das. Aber das ist doch heutzutage überall so, auf der ganzen Welt. Und bei uns in Amerika gibt es mittlerweile sehr viele Menschen, die gar nicht mehr stolz darauf sind, Amerikaner*innen zu sein. Es gibt einfach so viele Probleme, so viel Leid. Das sprechen wir auch in unserem neuen Stück ›Dig A Hole‹ an. Darin geht es im Wesentlichen darum, zu sagen: Okay, wir haben alle nur eine sehr begrenzte Zeit, die wir auf diesem Planeten verbringen und genießen dürfen. Macht es da wirklich Sinn, sich ständig den Kopf darüber zu zerbrechen, was andere darüber denken, was für ein Mensch man ist oder zu sein versucht? Der Text ist wie ein Zwiegespräch, in dem gefragt wird: Was bist du? Was versuchst du, zu erreichen? Eine Yin-Yang-Situation. Aber es ist nun mal eben nicht so, dass es nur die eine oder die andere Wahl gibt. Da sind immer mehr als zwei Optionen, aber die Social-Media-Denke zielt genau darauf ab. Wenn du nicht auf dieser Seite stehst, stehst du auf der anderen! Das hat die Gesellschaft unglaublich polarisiert. Und klar, ich bin ja auch mitschuldig. Hier sitze ich mit all meinen fucking Geräten. Ich liebe ja auch die Information, die man mit ihnen bekommen kann, aber ich bin den ständigen Kampf leid. Ich bin so müde davon, zu sehen, wie Leute einander unablässig fertigmachen. Dabei gibt es doch so viel mehr, über das man sich Gedanken machen könnte. Wenn man wirklich das Leben betrachtet und Bilanz zieht, erkennt man doch das, was wirklich wichtig ist. Aber so viele Menschen schaffen das nicht, weil sie zu beschäftigt damit sind, sich darüber aufzuregen, was andere denken. Dafür habe ich keine Zeit. In meinen 20ern war ich vielleicht auch noch so drauf, aber heute sage ich mir nur noch: Ich mag das hier und mir ist scheißegal, was irgendjemand anders davon hält.

Darüber sprachen wir auch schon vor drei Jahren. Damals sagtest du, vielleicht stolpern wir so zur Erleuchtung.
Leider scheinen wir heute eher noch weiter davon entfernt zu sein. An dem grundlegenden Problem hat sich jedenfalls nichts geändert. Alles, was man tun kann, ist doch, das wertzuschätzen was einem lieb und teuer ist. Und natürlich werden auch da die Meinungen auseinandergehen, was das sein mag …

Noch mal zurück zu 2021. Du sagtest, das Material auf YOU HEAR GEORGIA sei größtenteils vor der Pandemie fertig gewesen, aber wie so viele hattest du damals nichts zu tun und schriebst mehr Songs denn je. Sind das nun die Stücke, die wir auf dem neuen BE RIGHT HERE hören?
(zögert) Hmmm, ja, wahrscheinlich. Da müsste ich jetzt ehrlich gesagt noch mal genau nachsehen. Ich schreibe eben nun mal ständig Lieder, denn ich liebe den ganzen Prozess einfach, die Gitarre in die Hand zu nehmen und zu sehen, wie eine Idee sich dann langsam zu einem fertigen Stück entfaltet. Aber es gab auch noch Material, das wir beim letzten Mal nicht arrangiert haben. Von den Aufnahmen war aber nichts mehr übrig, denn wir haben immer dieselbe Methode, das ist der Modus Operandi unseres Produzenten Dave Cobb – er mag es nicht, Zeit zu verschwenden, also sagt er: „Wir suchen gleich am Anfang die zehn Nummern aus, die aufs Album kommen, und nehmen sie auf, sonst nichts.“ Aber ich denke, das kommt eh mit dem Alter, man lernt einfach mit der Zeit, was funktioniert und was nicht. Ich weiß, dass nicht jeder Track großartig ist, sie sind nicht alle „mein Baby“, auch wenn sie mir natürlich alle etwas bedeuten. Aber was mir gefällt, muss nicht zwangsweise auch Dave oder dem Rest der Band gefallen. Wir sind da sehr demokratisch, es wird nichts ausgewählt, mit dem nicht alle zufrieden sind. Das ist eine gute Herangehensweise, um sich ein dickes Fell zuzulegen. Aber das gilt ja ohnehin für das Songwriting an sich, die ganze Erfahrung, ob die Leute etwas mögen oder nicht, das ist ja alles völlig subjektiv. Aber es macht mir Spaß und ich könnte nicht leben, ohne das zu machen.

Jedenfalls habt ihr auch für BE RIGHT HERE wieder eine tolle Auswahl getroffen. Besonders ragt dabei das bittersüße ›Azalea‹ heraus, das so schön wie bewegend ist.
Oh vielen Dank, das ist auch der Lieblingssong meiner Frau und meines ältesten Sohnes. Ich weiß noch, wie ich die ersten Zeilen vor mich hinsang, mit dieser kleinen Gitarrenmelodie, und plötzlich rief sie aus dem Nebenzimmer: „I love it!“ Darin geht es darum, seinen Kinder nahe zu sein, ohne sie zu erdrücken.

Was war die Inspiration dahinter?
Einfach, unsere Kinder aufwachsen zu sehen, sowohl bei mir als auch bei meinem Freund Travis Meadows, mit dem ich an den Texten arbeite. Irgendwann wird einem klar, dass sie schon richtig ausgewachsene Menschen sind, aber ich sehe mir meinen Ältesten an und denke, „hey, du bist noch immer mein kleiner Racker“. Was für eine interessante Existenz das doch ist.

Immerhin war das wohl etwas Positives an der Pandemie, mehr Zeit mit den Kindern verbringen zu können, als das bei dir normalerweise der Fall ist.
Ja, sicher, das war ein angenehmer Nebeneffekt, denn ich blieb ja ein ganzes Jahr lang zu Hause. Für meinen Kleinsten machte es das dann aber auch wiederum schwerer, denn er war noch so jung, dass er in der Zeit wieder vergessen hat, wie es vorher war, und sich daran gewöhnt hatte, mich ständig um sich zu haben. Als wir dann wieder mehr unterwegs waren, fand er das ziemlich hart. „Was, du bist jetzt WIE lange weg?“ Aber das verging zum Glück bald wieder, und es dauerte nicht lang, bis es nur noch hieß: „Dad, bring mir was mit!“ Schön, dass er die Sonnenseite des Ganzen sieht.

Was eine gute Überleitung zu einem weiteren Highlight ist, ›The Other Side Of The Light‹, in dem es heißt: „Mach dir keine Sorgen über die Dunkelheit, sie ist nur die andere Seite des Lichts.“ Es ist nicht immer leicht, sich das vor Augen zu halten.
Ja, auf jeden Fall. Es passiert so leicht, dass man sich nur auf die Schattenseiten konzentriert und endlos wiederkäut, wie schlimm alles ist. Die Inspiration dahinter war, dass ich im Sommer in den Nachrichten sah, wie Kalifornien in Flammen stand. Das scheint mittlerweile jeden Sommer so zu sein, und da erzählte jemand, wie es war, als das Feuer immer näher kam … Ich habe auch einen Freund, Butch Walker, der schon zweimal dort sein Haus durch diese Brände verloren hat. Er ist nun nach Tennessee gezogen. Und in Kanada war es noch viel schlimmer! Wir waren dort auf Tour, und obwohl wir uns einige hundert Meilen von den Brandgebieten entfernt aufhielten, fiel es mir schwer, zu singen, weil die Luftverschmutzung einfach so furchtbar war. Selbst in Michigan und Wisconsin gab es Warnungen deswegen, und sogar in New York gab es ja ein paar Tage, in denen der Himmel unheimlich lila war und man kaum atmen konnte. Und fast genauso beunruhigend ist, dass die meisten Menschen das einfach völlig apathisch hinnehmen.

Die Botschaft des Albums, im Moment zu leben und das zu schätzen und genießen, was man hat, kann da fast schon fatalistisch erscheinen …
Nun, so ist das sicher nicht gemeint, aber es stimmt schon, die meisten fühlen sich angesichts solcher Ereignisse einfach hilflos und gehen eben trotzdem zur Arbeit, weil sie es müssen. Da muss man erst recht versuchen, die guten Dinge und Momente wahrzunehmen, die man hat, denn was soll man sonst tun?

Wie dem auch sei, es gelingt euch nach wie vor wunderbar, die schiere Freude des Rock’n’Roll zu transportieren, und das mit einer einzigartigen Wärme, die euch seit jeher auszeichnet.
Vielen Dank! Wir tun unser Bestes …

Dann freuen wir uns schon mal auf September, wenn ihr wieder in unseren Breiten vorbeischaut.
Wir uns auch. Ein großes Danke an euch alle, wir lieben Deutschland!

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