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She Rocks : Joan Jett

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She Rocks : Joan Jett

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Joan Jett: Denn sie weiß, was sie tut! Wie ein Teenager von den Runaways zu einer erwachsenen Visionärin für Musik mit Attitüde, humanistische Politik und Gleichberechtigung reifte.

„Nichts ist bedrohlicher als ein Mädchen mit einer Gi­­tarre“, sagte Joan Jett bekanntlich 1999. Über 20 Jahre später hat sich ihre Haltung nicht geändert. Sie hat sich noch nie davor gefürchtet, ihre Meinung zu sagen oder der Welt ganz genau zu zeigen, wie sie sich diesen schlimmen Ruf verdient hat, über den sie singt. „Der einzige Grund da­­für, dass ich diesen Ruf überhaupt habe, ist dass ich ein Mädchen bin und es wage, die Dinge zu tun, die sonst nur die Jungs dürfen“, echauffiert sie sich.

Wenn sie ein Motto hätte, wäre es wohl tatsächlich etwas wie „Na los, bring mich doch dazu“. Schon von Anfang an war sie mutig, frech und von der Kraft des Rock beseelt. Sie liebte es, ihre Gitarre provokativ zwischen die Beine zu nehmen und ihren großen Helden Marc Bolan oder Keith Richards nachzueifern. Und über die vergangenen vier Jahrzehnte hat sie der Welt immer wieder bewiesen, dass sie genauso hart rocken kann wie die Jungs, vielleicht sogar noch härter. Doch es war nie Jetts Absicht, im Ge­­schlechterkampf für Gleichstand zu sorgen. Sie hatte höhere Ziele. „Oh ja, absolut“, betont sie, „aber wann immer jemand etwas dagegen hatte, dass Mädchen Rock’n’Roll spielen, war ich bereit, in den Krieg zu ziehen.“ Und das tat sie auch. „The Runaways eröffneten mal für Rush, ich glaube, es war in Detroit. Ich weiß noch, wie diese Typen am Bühnenrand standen und uns auslachten. Und ich dachte nur, wenn ich Rush wäre, würde ich uns nicht auslachen. Dann waren da Molly Hatchet. Sie sagten: ‚Ich kann es nicht fassen, dass wir für eine Bitch Vorgruppe sind.‘ Und die Scorpions waren sauer, weil sie eine deutsche Band waren und wir in Deutschland mehr Erfolg hatten als sie. Manche Leute wollen einfach nicht sehen, wie Mädchen Dinge tun, die sie ihrer Meinung nicht tun sollten.“

Doch das hat Joan nie davon abgehalten. Über die Jahre hat sie Songs voller Galle und Draufgängertum geschrieben, ob ›Bad Reputation‹ oder das ironische ›Black Leather‹, das nicht die Vorzüge ihrer bevorzugten Bühnenklamotten preist, sondern unterstreicht, dass sie genau das tun wird, was sie tun will: „Black leather, I wear it on stage/Black leather, I’m gonna wear it to my grave/Black leather, I will wear it anywhere/Because my name is Joan Jett and I don’t care.“ Dabei ist es ihr tatsächlich alles andere als egal. „Ich denke, das, was mich immer am Leben gehalten hat, ist der Glaube, dass Rock’n’Roll dein Leben verändern kann. Womit ich ihn nicht wichtiger machen will, als er ist, aber manchmal kann dich ein Song in einem bestimmten Moment richtig berühren. Er kann dir den Mut und die Kraft geben, um weiter deinen Traum zu verfolgen.“ So wie das David Bowies ZIGGY STARDUST-Album für sie tat: „Die ganze Platte drehte sich darum, dass jemand ein Star sein will, und ich konnte mich mit den meisten Texten sehr identifizieren.“

Heute hat Jett einen fast schon messianischen Status erreicht. Der einstige US-Präsident Bill Clinton schrieb ihr einen Fanbrief, in dem er schwärmte, dass er all ihre Alben besitze und sie seit ›Fake Friends‹ von ihrem 1983er-ALBUM zu seinen absoluten Lieblingskünstlerinnen zähle. Der frühere Schwergewichts-Boxweltmeister Mike Tyson sah sie als seine Glücksbringerin und rief sie als Ritual vor jedem seiner Kämpfe an. Billie Joe Armstrong von Green Day bezeichnet sie als Vorbild und hat ihren Song ›Don’t Abuse Me‹ gecovert. Der gefeierte Punk-Künstler Shepard Fairey veröffentlichte einen limitierten Kunstdruck von Jett, der an Andy Warhols Ar­­beiten erinnert. Jett wird außerdem ge­­meinsam mit Todd Oldham eine Kleidungslinie präsentieren und produziert ein Album für die Rockabilly-Legende Wanda Jackson. Zudem steht eine Dokumenation über Joan an, bei der Kevin Kerslake Regie führte, gefeiert für den tragischen „As I AM: The Life And Times Of DJ AM“. Der Mythos Joan Jett wächst immer weiter.

In jüngerer Vergangenheit hat sie Songs mit Dave Grohl und Laura Jane Grace von Against Me! geschrieben. Pearl-Jam-Gitarrist Mike McCready postete unterdessen ein Bild von sich mit Jett, wie sie backstage in Seattle breit in die Kamera grinsen. Billy Corgan von Smashing Pumpkins vergöttert sie fast unterwürfig. Doch Jett ist nicht nur ein weibliches Vorbild und eine Stilikone (auch wenn definitiv beides zutrifft, inklusive ihrer eigenen Barbie-Puppe und Pinterest-Seiten, die ihren Kajal, ihre Schuhe und ihre humanistische Politik thematisieren), sie ist eine Referenz. Sie verkörpert, was es bedeutet, ihre Mission auf dieser Erde mit maximalem Fokus zu verfolgen, ohne Kompromisse, aber mit Anstand und Würde.

2008 veröffentlichte die norwegische Girlpop-Band The Launderettes einen Song namens ›What Would Joan Jett Do?‹. Der Slogan erschien auf T-Shirts, bezeichnenderweise getragen von u.a. Kathleen Hanna von Bikini Kill, sowie auf Autoaufklebern mit der Abkürzung WWJJD unter Jetts Gesicht – ein Zeichen dafür, dass sie zum Symbol einer Art von Integrität ge­­worden war, mit der sich eine neue Generation identifizierte.

Über die Jahre hat sie als spirituelle Ratgeberin für Ian MacKaye, Paul Westerberg oder Peaches fungiert. Man hat sie die „Godmother Of Punk“ genannt, das Original-Riot-Grrrrl und die „Queen Of Noise“ (nach dem Titel des zweiten Runaways-Albums). „Es ist schön, dass die Leute diesen Eindruck von mir haben. Aber ich vereinfache das viel mehr: Ich sage immer, ich bin einfach Rock’n’Roller. Ich kann nicht be­­haupten, dass ich das als erste Frau ge­­macht hätte. Aber es wäre schön, wenn man sich an mich als eine der ersten Frauen erinnert, die wirklich Hardrock gespielt und es ernst gemeint haben.“

In ihrer Dankesrede für die Rock And Rock Hall Of Fame sagte sie 2015, Rock’n’Roll sei „eine Idee und ein Ideal. Rock’n’Roll bedeutet mehr als Musik, mehr als Mode, mehr als eine gute Pose. Er ist die Sprache einer Subkultur, die alle, die ihr folgen, zu ewigen Teenagern gemacht hat. Das ist eine Subkultur der Integrität, Rebellion, des Frusts, der Entfremdung – und der Klebstoff, der Generationen aus unnatürlicher Unterdrückung befreit hat. Rock’n’Roll ist politisch. Er ist ein bedeutsamer Weg, Widerstand auszudrücken, eine Revolution in Gang zu bringen und für Menschenrechte zu kämpfen.“
Die Politik sollte erst später kommen. Zunächst war sie nur ein Teenager mit einem Traum.

Es wäre leicht zu sagen, dass wenn Joan Jett nicht existierte, wir sie erfinden müssten. Zum Glück war das nicht nötig. Sie erfand sich selbst. Mit 13 hatte sie schon Black Sabbath live gesehen. Doch wenn man nach einem Zündfunken sucht, könnte man den New York Dolls die Schuld für Jetts Karriere in die Schuhe schieben. Sie war kaum ein Teenager, als sie die trashigen Auf-die-Fresse-Kunstprovokateure in einem Club nahe ihres Zuhauses in der Vorstadt von Maryland sah. Dass sie minderjährig war, spielte dabei keine Rolle. Die Geschichte sollte zeigen, dass ein unbedeutendes Detail wie ihr Alter sie nicht aufhalten kann – damals wie heute. „Ich war in der ersten Reihe und ließ nach der Show David Johansens leere Bierflasche mitgehen“, erinnert sie sich. „Das war mein erstes Rock’n’Roll-Souvenir.“ Diese Bierflasche war sicher nicht das einzige, was sie von den Dolls mitnahm. Ihr roher, ungelernter Ansatz in ihrer Musik zeigte ihr, dass alles möglich war, wenn man nur die richtige (schlechte) Einstellung hatte.

Nicht mal ein Jahr nach dem Dolls-Konzert wurde dieses ernste, intensive Mädchen ohne Aufhebens kurz vor seinem 14. Geburtstag in die Vorstadt von Südkalifornien verfrachtet. Andere, weniger reife Teenager hätten sich von so einem Umzug nach Westen vielleicht entfremden lassen, doch nicht Jett. Sie war nur 40 Kilometer und ein paar Busfahrten von Rodney Bingenheimers English Disco entfernt, einem Club am Sunset Boulevard. Das war die Keimzelle für die Glam-Bewegung in den USA und Jett wusste, dass dort ein magischer Schlüssel auf sie wartete. „Als ich nach L.A. kam, merkte ich, dass ich in einer Rock’n’Roll-Band sein wollte“, erklärt sie. „Und zwar einer nur aus Mädchen, die aber ernsthaft spielen wollen. Ich las von diesem Ort in Hollywood, der auf Teenager zielte und britische Musik spielte, die es nie zu uns rüber schaffte.“

Es stellte sich heraus, dass Rodneys Club zum perfekten Labor für Jett werden sollte. Dort gab es Gefahr, einen Hauch von Rockstar-Dekadenz, doch vor allem eine Gruppe von Menschen, die durch die Musik zueinander fanden, in diesem winzig kleinen Abgrund zwischen Glam und Punk. „Ein prägender Moment im Leben jedes jungen Außenseiters ist es, auf Gleichgesinnte zu treffen, selbst wenn man nichts gemeinsam hat außer dem Ge­­fühl, nirgends sonst dazuzugehören.“

Sie entwickelte ihren ganz eigenen Glam-Klamottenstil, stellte sich an, um Keith Moons Autogramm zu bekommen (mit Erfolg), und sah einmal auf ihrem Weg in den Club eine Leiche. Sie wusste, dass sie exakt da war, wo sie sein musste – Leiche hin oder her. „Alle trugen diese riesigen Plateausohlen und Glitter. Die Jungs waren geschminkt. Alle waren auffällig und alles war androgyn. Dort entdeckte ich dann Bowie, T. Rex, Sweet, Slade und Gary Glitter.“ Es war auch der erste Ort, an dem ihr Suzi Quatro zu Ohren kam. „Als ich ›48 Crash‹ hörte, dachte ich: Da ist doch ein Mädchen, das Rock’n’Roll spielt! Wenn Suzi Quatro es konnte, konnte ich das auch, und es musste noch andere geben.“

Und so kam es, dass Jett sich im März 1975 in der Lobby des Continental Hyatt House in West Hollywood niederließ, um einen Blick auf Quatro zu erhaschen. Sie saß dort den ganzen Tag mit einer Freundin und sprach Quatro nicht an, sondern starrte sie nur an, wenn sie vorbeiging. „Was ist los mit dem Mädel da, das mich die ganze Zeit anschaut und genauso wie ich aussieht?“, fragte die Sängerin ihren damaligen Pressesprecher und Tourmanager Toby Mamis. Um 23:00 Uhr trat Mamis schließlich an Jett heran und sagte ihr, Suzi sei ins Bett gegangen. „Ich kann jetzt nicht nach Hause fahren“, erwiderte sie. „Der letzte Bus ist schon weg und ich habe meiner Mutter erzählt, dass ich bei einer Freundin übernachten werde. Ich komme hier schon klar.“ Mamis war gerührt und er­­laubte der jungen Joan und ihrer Freundin, in seinem Hotelzimmer auf dem Boden zu schlafen.

Ihrem Idol sollte sie dann erst Jahre später begegnen, doch Mamis würde noch eine entscheidende Rolle in ihrem Leben spielen. Nach dieser mutigen Nachtwache schienen sich die Dinge für Jett zu beschleunigen. Im folgenden Monat hatte sie durch Kari Krome, eine etwa gleichaltrige Freundin aus dem Rodney’s, den Hollywood-Impresario Kim Fowley kennengelernt. Krome schrieb Songs, die Fowley veröffentlichte. „Ich erzählte Kari, dass wir eine Band nur aus Mädchen gründen sollten“, erinnert sich Joan. „Sie sagte, sie spiele kein Instrument, sie schreibe nur, und vielleicht sollte ich mich darüber mit Kim unterhalten.“

Sie kontaktierte Fowley, sagte ihm, sie spiele Rhythmusgitarre und dass sie eine Mädchenband gründen wolle – und zwar keinen Scherz-Act, sondern mit richtigen Musikerinnen. Wenig später stand Fowley auf dem Parkplatz des Rainbow Club. Eine gewisse Sandy West erkannte den et­­was unheimlichen, zwei Meter großen Songwriter und erzählte ihm ihrerseits, dass sie Schlagzeugerin sei, in Bands in Huntington Beach spiele und auch eine Mädchenband gründen wolle. Er gab ihr Jetts Telefonnummer und sie rief sie an. Jett nahm vier verschiedene Busse nach Huntington Beach und die beiden jammten.

Fast umgehend fingen die neuen Kolleginnen (plus Kro­me) an, andere zum Vorspielen einzuladen. Sie stellten schließlich Bassistin Micki Steele (später ersetzt durch Jackie Fox), Gitarristin Lita Ford und Sängerin Cherie Currie ein – das erste Line-up der Runaways war ge­­boren. Fowley führte dann sogenannte „Zwischenrufer-Drills“ durch, bei denen er und andere brüllten und Sachen warfen, um die Mädels für die Bühne „abzuhärten“.


„Es wäre mir nie eingefallen, dass ich die Bastion des Rock’n’Roll nicht stürmen könnte. Aber ich dachte schon, dass die Leute von einer nur aus Frauen bestehenden Rock’n’Roll-Band in Aufruhr versetzt werden würden“, sagte sie 2000. „Und so war es dann auch.“

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