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Manic Street Preachers – Mut zur Bravheit

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Manic Street Preachers – Mut zur Bravheit

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Manic Street Preachers shot for press and publicitySeit 20 Jahren mischen sie im Rockzirkus mit. Im Gegensatz zu einigen ihrer Weggefährten sind die Manic Street Preachers stets auf dem Boden geblieben. Nichts mit Sex, Drugs & Rock’n’Roll. Nun legen die drei Waliser mit POSTCARDS FROM A YOUNG MAN ihr zehntes Studioalbum vor.

Luxus-Suite im Hotel. Das Bier fließt in Strömen, in der Ecke eine zerstörte Gitarre, Groupies räkeln sich auf dem XXL-Bett. Fehlanzeige! Während andere Rockstars mit ihren Eskapaden für Schlagzeilen sorgen, leben die Manic Street Preachers ein geordnetes und beschauliches Leben. Seit Beginn ihrer Karriere sind sie sowohl ihrem Label als auch ihrem Management-Team treu geblieben. Songwriter und Bassist Nicky Wire ist seit 17 Jahren mit seiner Jugendliebe verheiratet und lebt nach wie vor in Wales, 16 Kilometer von seinen Eltern entfernt. „Man kann dort einfach kein großes Ego entwickeln“, schmunzelt er. Auch seine Band-Kollegen, James Dean Bradfield und dessen Cousin, Schlagzeuger Sean Moore, sind bescheiden geblieben. „Zu Hause habe ich meine Shops, meinen Buchmacher, meine Pubs. Mit meinem Kioskverkäufer unterhalte ich mich täglich über Cricket“, erzählt James, Sänger und Gitarrist der Manics. Ihm ist auch die Meinung seines Vaters immer noch wichtig. Dieser dürfte mächtig stolz sein auf seinen Sohn.

Die Manic Street Preachers haben sich in den knapp zwei Jahrzehnten seit dem Release ihres Debütalbums GENERATION TERRORISTS im Jahr 1992 zu so etwas wie den „Grand Seigneurs“ des britischen Rock gemausert. Es gab keine verzweifelten Comeback-Versuche. Nein, die Drei waren einfach immer irgendwie da. Während ständig neue Indie-Bands um ihre jeweils 15 Minuten im Rampenlicht rangeln, hat sich die Band aus Blackwood mit ihrem soliden, politisch motivierten Rock ihren Platz gesichert. Ihre Alben und Singles landen regelmäßig in den britischen Charts. Mit POSTCARDS FROM A YOUNG MAN dürften die drei Rocker an ihre bisherigen Erfolge anknüpfen. „Wir haben alles in das neue Album gesteckt“, so Nicky. „Und wir wollen so viele Leute wie möglich erreichen, ähnlich wie bei unserem Debüt vor 18 Jahren.“

Mit dem eingängigen Sound des neuen Longplayers dürfte das gelingen. Songs wie der Titeltrack oder ›Hazleton Avenue‹ gehen direkt ins Ohr. „Es ist ein klassisches Radio-Album“, stimmt Nicky zu. „Die Lyrics sickern mit der Zeit durch.“ Auch mit über 40 wollen die Manic Street Preachers noch etwas bewegen. „Für uns ist die politische Botschaft auch heute noch wichtig und infiltriert unsere Musik und die Lyrics“, erklärt Nicky. Vor langer Zeit sagte er einmal, Wut sei in seiner DNA. Der heute 41-Jährige hat gelernt, diese destruktive Energie in seinen Songs zu verarbeiten. Titeln wie dem Album-Opener ›(It’s Not War) Just The End Of Love‹ hört man diese Wut auch nach wie vor an.

Schon früher verpackten die Manic Street Preachers provokante Themen in großartige Popsongs – wie etwa bei ihrem Nummer-Eins-Hit ›If You Tolerate This‹. Doch die drei Musiker können auch anders. Ihr 1994er-Werk THE HOLY BIBLE oder ihr letztes Studioalbum, JOURNAL FOR PLAGUE LOVERS, das im vergangenen Jahr erschien, sind nicht so leicht zugänglich. Für das von Kritikern bejubelte JOURNAL FOR THE PLAGUE LOVERS wurden ausschließlich Lyrics des ehemaligen Bandmitglieds Richey Edwards, der vor 15 Jahren verschwand und 2008 von seinen Eltern für tot erklärt wurde, verwendet.

Nostalgie ist ihnen also nicht fremd, das hört man auch auf dem neuen Album. „Wir schämen uns nicht, das zuzugeben“, lacht Nicky. Der Sound reflektiert die einstigen musikalischen Vorbilder der drei Manics. Inspiriert von Größen wie Queen, den Beatles und The Smiths, kamen neben einem Gospelchor auch opulente Streicher zum Einsatz. Fast jeder der zwölf Songs hat einen Ohrwurm-Refrain. „Wir sind absolut von Melodien besessen“, schmunzelt Nicky. „Das hat sicherlich auch etwas mit den Platten unserer Eltern zu tun, mit denen wir aufgewachsen sind. Wie zum Beispiel Abba, die Beatles oder Neil Diamond.“ James ergänzt: „Vielleicht liegt es auch daran, dass unsere Songs mehr Lyrics haben als ein durchschnittlicher Song. Denn wenn man mehr Text auf dem Papier stehen hat, sieht man mehr Wendungen und Biegungen, mehr Silben – und dadurch dann auch mehr Melodien. Es wäre ziemlich schwierig, diese ganzen Worte in einer Tonlage zu singen.“

Gemeinsam erarbeitete das Trio das neue Material im eigenen Band-Studio in Cardiff. „Es existiert eine gute Chemie zwischen uns, dadurch wird der kreative Prozess ein bisschen magischer“, so James. Als Produzent stand ihnen erneut ihr langjähriger Partner Dave Eringa zur Seite. Musikalische Unterstützung erhielten sie zudem von der britischen Musiker-Legende John Cale, Ian McCulloch von Echo & The Bunnymen sowie Guns N’Roses-Bassist Duff McKagan. McKagan, den Nicky übrigens als „süßeste Person im Rock’n’Roll-Zirkus“ bezeichnet, spielte in Los Angeles einen Gitarrenpart für den Titel ›A Billion Balconies Facing The Sun‹ ein. Ein kritischer Song über die narzisstische Internet-Kultur.

Auch in anderen Stücken, wie ›Don’t Be Evil‹ – das Motto von Internet-Riese Google – oder dem zynischen ›All We Make Is Entertainment‹, erheben die Preachers ihre zornige Stimme. ›Golden Platitudes‹ richtet sich gegen die politische Elite, die ihre Wähler verraten hat. Es ist eine Art offener Brief eines enttäuschten Wählers an die eigene Partei.

Die meisten jüngeren Bands haben diesen Anspruch, Gesellschaftskritik zu äußern oder sogar etwas verändern zu wollen, nach Ansicht von Nicky verloren: „Es gibt schon einige Bands, die ich mag, wie zum Beispiel Band Of Horses“, sagt er. „Aber britische Musik ist sehr großstädtisch geworden. Es ist schwierig, einen Zugang dazu zu finden.“ James ergänzt: „Es gibt Bands, die ihre eigene Sprache gefunden und sich eine eigene Nische geschaffen haben. Ich könnte einige Alben aufzählen, die ich mag. Aber sie haben die kulturelle Landschaft nicht nachhaltig verändert.“ Das ist nach Meinung von Nicky zuletzt den Libertines gelungen: „Sie haben zwar nicht die Massen bewegt, aber sie haben der Welt etwas gegeben – und wenn es nur enge Jeans, Drogen und Union Jacks waren“, lacht er. „Es ist das erste Mal, dass es eine Rezession gab – ohne eine musikalische Reaktion der Jugend. Wir hatten in den letzten zehn Jahren wirtschaftliches Wachstum, es gab die Internet-Explosion, alles war immer ziemlich einfach. Eine ganze Generation ist in Dekadenz aufgewachsen, und die Jugendlichen haben keine Ausdrucksmöglichkeiten gefunden.“

Da hat Nicky vielleicht eine Kleinigkeit vergessen: Auch „Sex, Drugs & Rock’n’Roll“ ist eine Haltung. Das Rockstar-Klischee überlassen die Manic Street Preachers aber lieber den jungen Wilden. Selbst wenn sie unterwegs sind, führen die Rocker ein friedliches Leben. James: „Es gibt keine Laster in unserem Tourbus. Keine Drogen, kein Sex, kaum Alkohol.“ Brav.

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