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Iron Maiden: „Wir sind Iron Maiden“

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Iron Maiden: „Wir sind Iron Maiden“

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Es gibt nicht mehr viele Metal-Acts auf diesem Planeten, die mit der Ankündigung eines Albums den Mainstream hinter dem Ofen hervorlocken können. Doch wenn die mächtigen Iron Maiden beschließen, einen neuen Longplayer auf die Menschheit loszulassen, dann läuft das Internet kurzzeitig über und die Welt scheint – wenigstens für ein paar Sekunden – wieder so in Ordnung wie zu der Zeit, als laute Gitarrenmusik den Ton angab und Metal und Rock’n’Roll die Welt regierten. CLASSIC ROCK beleuchtet die Hintergründe der vertonten Kampfansage namens SENJUTSU und spricht exklusiv mit der „Air Raid Siren“ alias Bruce Dickinson über die Entstehungsgeschichte der Platte, kaputte Körperteile und den Hype um seine wiedererlangte, lange Matte.

Sie haben es einem nicht unbedingt leicht gemacht mit der Ankündigung ihres brandneuen Studioalbums SENJUTSU. Gleich einer kniffligen Schnitzeljagd ließen Iron Maiden in den letzten Monaten, ja eigentlich Jahren, immer mal wieder den ein oder anderen Brotkrumen an Hinweisen fallen, bis kombinierfreudige Fans schließlich im Juni 2021 relativ sicher davon ausgehen konnten, demnächst das 17. Werk ihrer Vorbilder in Händen halten zu dürfen. Doch eines nach dem anderen.

Ende des Jahres 2019 berichtete Kevin Shirley, der seit BRAVE NEW WORLD (2000) jedes Album von Iron Maiden produziert hat, auf Social Media vom Tod seines Bruders und erwähnte in diesem Kontext einen Studioaufenthalt in Paris. „Ich verließ meine Familie, um die nächsten drei Monate in Paris an einem Projekt zu arbeiten, das ich zwar nicht benennen darf, das aber trotzdem nicht allzu geheim ist. Als ich damit fertig war, schlackerten mir die Ohren vor Lautstärke.“ Da Bruce Dickinson einen Wohnsitz in Paris sein eigen nennt und das letzte Maiden-Album, THE BOOK OF SOULS von 2015, ebenfalls in den Guillaume Tell Studios in der Stadt der Liebe produziert worden war, begann zu diesem Zeitpunkt bereits das Brodeln in der Gerüchteküche.

Belshazzar’s Feast

Knapp eineinhalb Jahre später sitzt Bruce Dickinson in einem Zoom-Call, um über Iron Maidens verschobenen Auftritt beim Download-Festival im Jahr 2022, sowie seine Teilnahme am „Heavy Metal Truants“ Radrennen für einen guten Zweck zu sprechen. Mit verschmitzter Miene erklärt der Frontmann der Interviewerin: „Ich weiß ja schon mehr als du darüber, was in dem Zeitraum zwischen jetzt und dem Festival passieren wird. Viele Dinge werden geschehen und ich glaube, die Leute werden ziemlich zufrieden sein.“ Mehr ließ sich Dickinson an jenem 25. Mai 2021 trotz charmanter Versuche von Seiten der Fragestellerin nicht entlocken und setzte stattdessen eine ulkige Plüschbrille mit Hasenöhrchen auf, um schnell von dem heißen Thema abzulenken. Am Wochenende des 18. Junis fand schließlich ein Pilotversuch des Download Festivals statt, in dessen Rahmen eine pandemiegerechte Durchführung von Konzerten getestet werden sollte. An besagter Versuchsfestivität wurden Flyer gefunden, die ein gewisses „Belshezzar’s Feast“ ankündigten. Auf den Flyern stand ebenfalls „Live forever“, „man or beast“ und „heaven or hell“ geschrieben, genauso wie die Zahlenkombination 15/07 und XVII – also die Zahl 17 in römischen Ziffern. Zudem öffnete der Singer/Songwriter und ausgemachte Maiden-Fan Frank Turner während eines Interviews beim Festival den Reißverschluss seines Pullovers und enthüllte ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Belshazzar’s Feast“ und den Umrissen einer Festung, als der Fragesteller ihn auf Iron Maiden ansprach. Nach einiger Dechiffrierarbeit mutmaßten Fans und Presse ab diesem Zeitpunkt, dass Iron Maiden am 15. Juli ihr 17. Studioalbum veröffentlichen oder wenigstens ankündigen würden.

Am Rande des besagten Flyers war übrigens auch die Email-Adresse [email protected] abgebildet, die einem auf Anfrage ein Akronym als Antwort schickte, dessen Anfangsbuchstaben das Kürzel „WOTW“ ergaben. Da die biblische Geschichte um das Gastmahl des Belsazar aus dem Buche Daniel im Alten Testament zugleich von der geisterhaften Schrift an der Wand – zu englisch „the writing on the wall“ – erzählt, verschärften die Konturen um Iron Maidens Vorhaben sich zunehmend und man mutmaßte, dass die kommende Platte ebenso heißen würde. Das „WOTW“-Kürzel wurde zudem auf den Plakaten für die auf 2022 verschobenen Konzerte der „Legacy Of The Beast“ Tour sowie auf dem ursprünglichen Cover für NIGHTS OF THE DEAD, LEGACY OF THE BEAST: LIVE IN MEXICO CITY von 2020 gesichtet. Wie sich im Nachhinein herausstellte, handelte es sich bei letzterem um ein großes Versehen, das von Bruce Dickinsons Lebensgefährtin entdeckt wurde und dem Camp Iron Maiden große Sorgen bereitete. Vom Artwork konnte der Fehler noch entfernt werden, die beiliegenden Plakate der Vinyl-Edition jedoch enthielten das „WOTW“-Kürzel nach wie vor. Hatten sich Maiden etwa durch dieses unbedachte Missgeschick nach all der Geheimniskrämerei versehentlich verraten? Nicht wirklich, wie sich retrospektiv herausstellte, denn schließlich macht ein kontextloses „WOTW“ – trotz seiner in diesem Zusammenhang mehr als ironischen Symbolkraft – noch keine konkrete Pressemeldung.

Brexit Of The Beast

Ende Juni gab Bruce Dickinson der Journalistin Kate Burley von Sky News ein Interview, in dem er sich – als bekennender Befürworter des Brexit – über die vielen Hürden echauffierte, die einer tourenden Band durch den Austritt des UKs aus der EU beschert würden. Was neben seinen von vielen Seiten belächelten Aussagen vor allem auffiel, war das schwarze Shirt, das unter seinem Jeanshemd hervorlugte und den Blick freigab auf den halben Schriftzug „Shazz Feast“, was von scharfen Beobachtern völlig korrekt als jenes Motiv identifiziert wurde, das wenig zuvor auf dem Download-Pilot-Festival kursiert war. Auf neues Material angesprochen, meinte Bruce Dickinson lediglich: „Der Hinweis liegt direkt vor euren Augen.“ Wenige Tage später geisterte plötzlich ein Song namens ›Writing On The Wall‹ im Internet, dessen Coverartwork Maskottchen Eddie als Hauptprotagonisten des Rembrant-Gemäldes „Das Gastmahl des Belsazar“ zeigte. Selbiges Lied wurde auf einem Youtube-Kanal namens „Daniel Belshazzar“ bereitgestellt und wirbelte einiges an Verwirrung auf: War hier eine dreiste Copycat auf den Mystery-Zug aufgesprungen, um das Rätselraten als Sprungbrett zur Follower-Vermehrung zu nutzen oder aber trieben Iron Maiden selbst hier ein perfides Spielchen? Wie sich schnell herausstellte, stammte der Song von einer italienischen Band namens Black Phantom und hatte nichts mit der offiziellen Taktik der Metal-Legenden zu tun. Die nämlich veröffentlichten am 9. Juli einen kurzen Videoclip, in dem Bruce Dickinson von einer Theater-Loge herabruft: „July the 15th. Rain or shine, heaven or hell, man or beast. You’re all invited to Belshazzar’s Feast. But your mum can’t come.“ Vorgetragen wurde diese augenzwinkernde Botschaft in jenem „Belshazzar’s Feast“-Shirt, dessen Aufdruck man im Interview mit Sky News zuletzt nur halb zu Gesicht bekommen hatte.

The Writing On The Wall

Am 15. Juli entlud sich die angestaute Spannung endlich und zwar in einem knapp sechseinhalb Minuten langen Track aus der Feder von Smith und Dickinson namens ›The Writing On The Wall‹. Die Nummer mit leichtem Western- bzw. Southern-Rock-Flair stürzte Maiden-Fans weltweit in Grundsatzdiskussionen bezüglich Qualität und Daseinsberechtigung ihrer Lieblingsband. Episch an dem Track ist vor allem das animierte Video, für dessen Storyboard ebenfalls Bruce Dickinson verantwortlich ist. Eingeleitet von dem „Belshazzar’s Feast“-Flyer wird hier eine Welt kurz vor der Apokalypse gezeigt. Die Landschaft ist wüst, die Sonne versengt erbarmungslos jegliches Leben, es gibt weder Wasser noch Öl noch Hoffnung. Karikierte Großmächte werden von ihren ausgemergelten Untergebenen in Richtung der Festung gezogen, wo das so groß angekündigte „Belshazzar’s Feast“ stattfinden soll. Ein vermummter Wanderer sowie vier Gestalten mit Umhängen und Motorrädern begeben sich ebenfalls in Richtung der ominösen Festung, in deren Inneren eine apokalyptische Feier tobt, die vom „Vampirkönig“, wie Dickinson die teufelsähnliche Gestalt nennt, abgehalten wird. Der vermummte Wanderer unterbricht die Zusammenkunft, verwandelt sich äußerst spektakulär in Samurai-Eddie – die jüngste Inkarnation des berühmtesten aller Metal-Maskottchen, welche auch das neue Albumcover ziert – und lässt die vier Gestalten alias apokalyptische Reiter auf ihren Motorrädern los. Selbige verkörpern jeweils einen Eddie von vergangenen Artworks und legen die Party plus Außenwelt in Schutt und Asche. Samurai-Eddie schnappt sich unterdessen ein in vitro gezüchtetes Menschenpaar alias Adam und Eva und fährt mit ihnen als Schöpfer einer neuen Welt dem Untergang davon. Mit einem bösen Grinsen im Gesicht wirft er dem Paar symbolträchtig einen verführerisch rot glänzenden Apfel zu, welchen jene sogleich mit inbrünstigen Küssen und Bissen ablecken und verspeisen. Alle Bibelstellen (wie das Gastmahl des Belsazar, die Erzählung von der Apokalypse, die Geschichte von Adam und Eva, die Plagen, die Gott über Ägypten schickt oder der Auszug aus Ägypten) herauszufiltern, die im Video zu ›The Writing On The Wall‹ zitiert werden ist vielleicht genauso schwierig, wie alle Anspielungen auf den Iron-Maiden-Kosmos herauszulesen. Neben der Grundgeschichte, die von der menschlichen Hybris und Fehlbarkeit erzählt – vom Irrsinn, den nahenden Untergang trotz eindeutiger Zeichen zu ignorieren – tragen vor allem jene mannigfaltigen Details dazu bei, dass man sich das Video mehrmals ansehen muss, um alle Hinweise zusammenzutragen. Wie Bruce Dickinson in einem Interview mit Kerrang! zugab, wurde er von Rammsteins Video zum Song ›Deutschland‹ zu diesem vielschichtigen Aufbau des Storyboards inspiriert.

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3 Kommentare

  1. Wie dem auch sei; Self made Metal Top, handwerklich top! ABER: Wenn ich mir Tickets für 106 Euro für Maiden kaufe, dann möchte ich auch Maiden sehen! Frankfurt Festhalle 07/2023 … Da geht Maiden von der Bühne OHNE „Number of the Beast“; „2 Minutes to Midnight“ und ohne „Run to the Hills“ … das ist so wie wenn Metallica ohne Master of Puppets, One, Enter Sandman und Fade to Black die Bühne verlassen!!! Sry… ich bin mit Maiden fertig! Dann lieber Amon Amarth, da weiss ich wenigstens was ich bekomme… lg. Torsten

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