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Deep Purple: Kriminelle Energie

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Deep Purple: Kriminelle Energie

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Viele glauben, ein Coveralbum sei ein Zeichen für versiegende Ideen, reine Vertragserfüllung – oder beides. Auf TURNING TO CRIME von Deep Purple trifft keine dieser Vermutungen zu. Stattdessen präsentiert sich die Band hier hörbar spielfreudig beim Interpretieren einiger Songs, die sie einst überhaupt erst dazu inspirierten, selbst Rock’n’Roll zu spielen.

Jede Reise beginnt mit einem einzigen Schritt, und der Weg zu TURNING TO CRIME nahm Gestalt an, nachdem jedes Bandmitglied eine Liste von potenziellen Songkandidaten an Bob Ezrin schickte und daraus dann demokratisch die vielversprechendsten Titel gewählt wurden. „Während die Songideen eintrafen“, so Ian Gillan, „war unsere Haltung: ‚Nun, versuchen wir einfach mal ein paar davon und sehen, wie es läuft‘. Und wenn der Ball dann mal ins Rollen gekommen ist, entwickelt das seine Eigendynamik.“ Als die Stimmen ausgezählt waren, hatte es ›Oh Well‹ von Fleetwood Mac in die Endauswahl geschafft, ebenso wie ›Shapes Of Things‹ von The Yardbirds und ›White Room‹ von Cream – allesamt unbestreitbare Klassiker. Doch auch einige der esoterischeren Nominierungen wurden gewählt, etwa Bob Dylans ›Watching The River Flow‹, ›7 And 7 Is‹ von Love und Ray Charles’ Interpretation von ›Let The Good Times Roll‹. Und als die Tracklist konkreter wurde, wuchs die Begeisterung für das Projekt.

Die Covid-19-Regeln machten es unmöglich, sich zu fünft im selben Raum zu treffen und Ideen für Arrangements, Songstrukturen oder die Instrumentierung auszuprobieren, wie sie das in der Vorproduktion ihrer Alben seit jeher getan hatten. Stattdessen nahm Ezrin die Verteilung und Entwicklung des Materials mit jedem einzelnen der Musiker in die Hand. Eine zeitraubende Art der kreativen Zusammenarbeit, die ein bisschen wie die Salamitaktik funktionierte, nur rückwärts, denn statt etwas aufzuteilen, wurden Dinge hinzugefügt, bevor das Ergebnis dann an den nächsten Teilnehmer weitergereicht wurde. Am Bildschirm aus seinem Heimstudio, wo die meisten der Basis-Demos aufgenommen wurden, beschreibt Glover die Erfahrung dieses akribischen Prozesses als „erhellend“, „erfrischend“ und „fordernd“. „In gewisser Weise genoss ich es, allein ohne Einmischung von Bob oder den anderen zu arbeiten“, sagt der Bassist mit einem Lächeln, bevor er die Bedeutung des Produzenten in diesem System unterstreicht: „Wenn Deep Purple ein Rad sind, ist Bob dessen Dreh- und Angelpunkt.“


Im Gespräch über seinen eigenen Ansatz dabei, den Songs neues Leben einzuhauchen, verrät Glover, dass er
versuchte, sich an ein kreatives Umfeld zu erinnern, das er inspirierend fand, bevor er 1969 bei Deep Purple Mk II einstieg. „In den 60ern herrschte ein großartiges Gefühl der Freiheit“, erzählt er begeistert. „Plötzlich musste man sich an kein vorgefertigtes Muster mehr halten, es musste nicht mehr in jedem Song um Liebe gehen, sondern man konnte machen, was man wollte. Dieses Gefühl war im Wesentlichen der Zauber der 60er. Es gab eine wahre Explosion des freien Ausdrucks. Natürlich hielt das nicht an und heute ist die Welt ganz anders, aber wir genießen es nach wie vor, über das hinauszugehen, was man von uns erwartet.“

„Es wäre witzlos, Songs zu covern, wenn man sich nur sklavisch an die Originale halten würde“, sagt Gillan, der schon vor Purple bei Episode Six Glovers Songwriting-Partner war. „Aber gleichzeitig ist es auch verdammt frech, zu glauben, dass man diese Songs verbessern könnte, die allen tief im Bewusstsein stecken. Wir nahmen uns diese Stücke vor, weil sie ohnehin schon großartig waren und genial gespielt worden waren, weil sie Teil unserer Wurzeln sind, unseres Lebens. Wir spielen jeden Song mit absolutem Respekt und hoffen, dass
sich unsere Persönlichkeit und unser Stil so entwickelt haben, dass wir ihnen die Identität von Deep Purple
verleihen können, ohne unseren Respekt für die Originale zu mindern.“

Gillan bringt seine Bewunderung für die Beiträge jedes einzelnen seiner Mitmusiker auf TURNING TO CRIME
zum Ausdruck, doch besonders lobt er die Arbeit von Steve Morse, des Mannes, den viele Purple-Fans bis heute als den „neuen“ Gitarristen der Band betrachten, obwohl er mittlerweile in seinem 27. Jahr dabei ist.
„Steve bringt durch sein riesiges Wissen über Jazz und Southern Rock und verschiedene Ansätze in der Musik ein ganz anderes Element in die Band, das wir davor nie gehabt hatten“, erklärt Gillan. „Das hat uns eine neue Dimension verliehen.“ Für Morse stellt TURNING TO CRIME eine schöne Parallele zu seinem Leben dar, denn der entspannte Gitarrist aus Ohio erinnert sich, dass einer der ersten Songs, die er je in diversen High-School-Bands spielte, ›Hush‹ war – die Coverversion eines Stücks des amerikanischen Singer/Songwriters Joe South, das ursprünglich 1967 vom Country- Soul-Sänger Billie Joe Royal aufgenommen worden war und mit der Deep Purple ihrerseits 1968 einen Hit landeten.

Was die Bedeutung von Coverversionen in seiner eigenen musikalischen Sozialisation betrifft, nennt der 67-Jährige Morse Bob Dylans ›Mr. Tambourine Man‹ in der Interpretation von The Byrds, deren Single nur einen Monat, nachdem das Original die akustische Seite von Dylans Album BRINGING IT ALL BACK HOME von 1965 eröffnete, erschien. In dieser Fassung sei dieser Track für ihn „zum Leben erwacht“ und habe „seinen Zauber entfaltet“, während Dylans Original an ihm vorbeigegangen sei, ohne bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Von den fünf Bandmitgliedern ist es Morse, dem am ehesten bewusst ist, dass das Umformen von Klassikern
von einigen konservativeren Musikliebhabern als Ketzerei betrachtet wird. Der Gitarrist sagt, er habe dies am eigenen Leib erfahren, als er 2004 für das selbstbetitelte Debütalbum des kurzlebigen Hardrockprojekts Living
Loud sechs Stücke von Ozzy Osbourne mit Mitgliedern der BLIZZARD-OF-OZZ-Band sowie deren Autoren Bob Daisley und Lee Kerslake sowie dem australischen Sänger Jimmy Barnes (und Gastkeyboarder Don Airey) in alternativen Fassungen aufnahm. „Wir probierten ein paar neue Sachen mit Songs, die Bob wirklich gefielen, und daraus wurde etwas ziemlich anderes. Und mein Gott, das Tor zur Hölle öffnete sich! Die Leute drehten durch. Jetzt [mit TURNING TO CRIME] bin ich also auf negative Reaktionen vorbereitet. Aber es besteht wohl
immer die Möglichkeit, dass es ein paar Leuten gefallen wird“, fügt er mit einem wissenden Kichern hinzu.

Die ganze Titelstory lest ihr in CLASSIC ROCK #105

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